AP/RICK BOWMER
Radiokolleg - Die Migration der Wildtiere
Wie der Klimawandel ihre Routen verändert (1). Gestaltung: Kim Shirin Cupal
25. Oktober 2021, 09:05
Jedes Jahr wiederholt sie sich aufs Neue, die weltumspannende Wanderung der Wildtiere. Zeitlich exakt koordiniert und zielgerichtet bewegen sich gigantische Massen von Lebewesen über den gesamten Globus. Es sind nicht nur Zugvögel die ziehen, sondern auch Milliarden von Säugetieren und Fischen, zahlreiche Wale und Meeresschildkröten, selbst Insekten - wie Schmetterlinge, Libellen und Schwebfliegen - legen zigtausende Kilometer auf ihren Wanderschaften zurück, auch in Europa.
Zusammen bilden sie einen pulsierenden Gesamtorganismus. Die Nahrung Suchenden werden selbst zur Nahrung, hinterlassen auf ihren Pfaden Dünger und Nährstoffe, sind Träger blinder Passagiere, wie Pflanzensamen, Insekten, Fisch- oder Amphibienlaich. Die unablässige Migration der Wildtiere sei das Lebenselixier des Planten, betont die US-amerikanische Forscherin Amanda Subalusky, gleich einem Blutkreislauf der Welt. Doch was tun, wenn diese globale Bewegung langsam zum Erliegen kommt? Wenn Zäune, Zersiedelung und Klimawandel den jahrtausendealten Zyklen ein Ende setzen sollten?
Im Frühjahr 2018 startete das Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie das bislang größte und umfassendste Wildlife - Experiment: ICARUS. Das Internet der Tiere. Tausende Lebewesen - von der Fliege bis zum Weißen Hai - werden mit Funksendern ausgestattet, nicht schwerer als ein paar Gramm, um ihre Routen und Verhaltensmuster nachzuvollziehen und die Konsequenzen auf Ökosysteme sowie den Menschen zu erfassen. Durch diese digitale Revolution könnten zum ersten Mal zahlreiche Fragen beantwortet werden: Etwa wie die Tiere es schaffen, ihren Bestimmungsort zu erreichen, wie sie sich dabei orientieren und vor allem warum sie überhaupt wandern.
Auch soll so unter anderem das bislang unerklärliche Frühwarnsystem der Tiere aufgedeckt, die Reisen von Krankheitserregern nachvollzogen und auf den immensen Wissensschatz der wandernden Lebewesen zugegriffen werden. Durch das Internet der Tiere könnte sich die Sprache zwischen Mensch und Tier grundlegend verändern. Doch was bleibt dann noch von der Mystik der Welt übrig? Welche Gefahren und Chancen könnten bevorstehen, wenn aus den Überbleibseln der scheinbar unberührten Natur ein globales Labor wird?
In dieser Radiokolleg-Reihe begeben wir uns auf die Spur eines der unglaublichsten Naturereignisse der Welt. Erfahren, dass das Zeitalter der Migrationsforschung soeben erst wirklich begonnen hat. Und beginnen zu begreifen, wie essentiell dieses ständige Wandern für die Welt ist, wie vieles davon abhängt.
Service
Kostenfreie Podcasts:
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Francesca Buoninconti: Grenzenlos - Die erstaunlichen Wanderungen der Tiere, Folio Verlag, Wien 2021.
Alexander Pschera: Das Internet der Tiere - Der neue Dialog zwischen Mensch und Natur, Matthes&Seitz Berlin, Berlin 2014.
Lucy Cooke: The Unexpected Truth About Animals -Stoned Sloths, Lovelorn Hippo and other Wild Tales, Transworld Publishers, London 2017.
Christopher E. Doughty et al.: Global nutrient transport in a world of giants, PNAS, 2015.
Österreichische Vogelwarte
Vogelwarte Sempach
Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie
ICARUS
The Subalusky Lab
Petra Kaczensky
MoveBank-Youtube
Steinwild Telemetrie - Hohe Tauern
Felix Stalder: Wir alle sind Bruno! Vom Unbehagen mit der Technologie zur Empathie mit der Natur