Menschen mit Nasen-Mund-Masken

AP/MARKUS SCHREIBER

Medizin und Gesundheit

Rheuma und Corona

Leben mit einer rheumatisch entzündlichen Erkrankung in der Pandemie

Fehlgeleitetes Immunsystem

Der Erkrankungsmechanismus bei den entzündlich-rheumatischen Formen (wie Rheumatoide Arthritis) hat mit der Körperabwehr zu tun. Es werden plötzlich körpereigene Strukturen als fremd eingestuft und attackiert: wie Gelenke, die Wirbelsäule, aber auch die Haut, Blutgefäße, das Bindegewebe und ganze Organe.

Eine ganze Familie von unangenehmen Erkrankungsbildern

Geschwollene Gelenke, verformte Finger, Muskelentzündungen - das sind nur einige Beispiele für die etwa 200 Erscheinungsformen von Rheuma. Obwohl die Krankheit extreme Schmerzen hervorrufen kann, wird ihr in der österreichischen Medizinlandschaft traditionell wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Viele Betroffenen haben Erschöpfungszustände - Job und Alltag werden zur Belastungsprobe.
Etwa 1.500 Kinder und Jugendliche erkranken in Österreich jährlich an Rheuma.

Das Um und Auf

.ist die rechtzeitige Diagnose. Man spricht vom therapeutisch-diagnostischen Drei-Monatsfenster. Wird innerhalb eines Vierteljahres eine entzündliche Gelenkserkrankung erkannt und behandelt, so stehen die Chancen auf weitgehende Beschwerdefreiheit gut. Je mehr Zeit verstreicht, desto eher droht ein schmerzhafter, chronischer Verlauf.

Versorgungslage eher mau

Engmaschige Kontrollen und eine gute Betreuung sollten ebenfalls zum Standard gehören.
Die Realität der Betroffenen sieht jedoch meist anders aus: überfüllte Ambulanzen und eine zu geringe Zahl an niedergelassen Spezialisten. Solche mit Kassenverträgen sind überhaupt kaum zu finden.

Mehrstufiges Behandlungskonzept - die Basis

Als Basistherapeutika werden Arzneimittel bezeichnet, die langfristig das Fortschreiten chronisch-entzündlicher, rheumatischer Erkrankungen verhindern oder verlangsamen. Diese Medikamente werden schon lange eingesetzt.
Es sind sehr unterschiedliche Substanzen wie Azathioprin, Cyclosporin, Cyclophosphamid, Leflunomid, Methotrexat, Mycophenolat-Mofetil oder Sulfasalazin.

Die Jüngeren

Es handelt sich um die sogenannten Biologika. Diese biotechnologisch hergestellten Eiweißsubstanzen wurden so designt, dass sie gegen entzündungsfördernde Botenstoffe des Körpers oder auch direkt gegen jene Immunzellen der Körperabwehr gerichtet sind, die die Entzündungsprozesse vorantreiben.
Dazu gehören: Adalimumab, Etanercept, Infliximab, Golimumab und Certolizumab - sie alle blockieren die zerstörerischen Wirkungen des Tumornekrose-Faktor-Alpha. Dann Abatacept (blockt T-Lymphozyten Aktivierung), Anakinra und Canakinumab (wirken gegen Interleukin-1), Belimumab und Rituximab (verringern die Anzahl der B-Lymphozyten), Secukinumab (wirkt gegen Interleukin-17A), Ustekinumab (wirkt gegen Interleukin-12 und Interleukin-23) sowie der Interleukin-6-Blocker Tocilizumab.

Die Neuen - "small molecules"

Von den sogenannten Januskinase-Hemmern sind bereits einige auf dem Markt. Was diese Substanzen so interessant macht, ist ihre Wirkung in der Zelle. Sie beeinflussen das Zusammenspiel von mehreren Zytokinen, die wiederum für die Überreaktion des Immunsystems bei Rheuma sorgen. Und indem sie diese Wirkung innerhalb der Zelle ausüben, sind sie besonders effektiv. Zweiter Vorteil: Man kann sie schlucken und muss sie nicht unter die Haut spritzen oder als Infusion verabreicht bekommen.
Dazu gehören: Tofacitinib, Baricitinib, Upadacitinib und Filgotinib. Und dann gibt es noch Apremilast, ein PDE-4-Hemmer.

Corona und Rheuma

Die letzten beiden Jahre stellten für die Erkrankten und deren Behandler eine besondere Herausforderung dar. Es war lange Zeit nicht klar, wie sich eine Corona-Infektion auf den Verlauf der rheumatischen Erkrankung auswirkt, zumal die eingesetzten Behandlungen das Immunsystem runterregulieren. Auch zur Frage, wie gut Patientinnen und Patienten unter einer solchen Therapie auf die Impfungen ansprechen, konnten erst in den letzten Monaten entsprechende Daten erhoben werden.
Viel zu tun also für die Spezialisten auf dem Gebiet der Rheumatologie.
Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger beschäftigt sich in der aktuellen Ausgabe des Radiodoktors daher mit den aktuellen Fragestellungen, die sich für Rheuma-Betroffene rund um Corona ergeben.

Sendungsvorbereitung: Dr. Ronny Tekal
Redaktion: Dr. Christoph Leprich und Lydia Sprinzl, MA

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Von welcher Rheumaform sind Sie betroffen?
Welche Medikamente helfen Ihnen?
Wie ist es Ihnen in der Corona-Pandemie damit ergangen?
Haben Sie Fragen rund um die Impfungen?
Bekommen Sie eine Therapie mit Biologika bzw. small-molecules?
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Service

Studiogast im Funkhaus Wien:

Prim. Univ.-Prof. Dr. Kurt Redlich
Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie
2. Med. Abteilung
Klinik Hietzing
Wolkersbergenstr. 1
A-1130 Wien
Tel: +43/1/80110 3173
E-Mail
Homepage

Am Telefon:

Univ.-Prof.in Dr.in Ruth Fritsch-Stork
Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie
Lehrstuhl für Rheumatologie an der Sigmund Freud Privatuniversität
Oberärztin an der 1. Medizinischen Abteilung im Hanusch-Krankenhaus Wien
Heinrich-Collin-Straße 30
A-1140 Wien
Tel: +43 1 910 21-85012
E-Mail
Homepage

Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie & Rehabilitation ÖGR
Selbsthilfeorganisation Österreichische Rheumaliga ÖRL
Ist es Rheuma, was ich habe? Inklusive Video (Deutsche Rheuma Liga)
Wer sind Rheumatologen? (Internisten im Netz 2021)
Stellungnahme der ÖGR zur COVID-19 Epidemie
Coronavirus: Infos für Menschen mit Rheuma (Deutsche Rheuma Liga)
Deutsche Apotheker Zeitung: Neues Small molecule gegen Rheuma eingeführt
Biologika (Deutsche Rheuma Liga)
Pharmazeutische Zeitung: Rheuma-Therapie kostet viel, bringt aber auch viel
Ernährung bei Rheuma

Buchtipps:

Jörn Klasen, Keihan Ahmadi-Simab, "Gemeinsam gegen Rheuma: Das Wissen zweier Top-Mediziner", Edel Verlag 2020

Matthias Riedl, Anne Fleck, Jörn Klasen, "Die Ernährungs-Docs - Starke Gelenke: Die besten Ernährungsstrategien bei Rheuma, Arthrose, Gicht & Co.", ZS Verlag 2018

Oliver Witzke, Uwe Heemann, "Leben mit Kollagenosen und Vaskulitiden: Ein Ratgeber für Patienten", Zuckschwerdt 2015

Matthias Schneider, "Lupus erythematodes: Information für Erkrankte, Angehörige und Betreuende", Springer 2017

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