Gedanken für den Tag

Das Lied von Preis und Schleier - Die Legende des Heiligen Leopold (15.11.)
von David Weiss, Schriftsteller

Im 15. Jahrhundert blickte sich Kaiser Friedrich III. nach allen Seiten zu seinen Nachbarn um und fühlte sich plötzlich einsam. Er war der einzige europäische Herrscher, in dessen Dynastie es keine Heilige oder Heiligen gab. Er hätte die Sache nun wie es seinem Wahlspruch "felix oblivio" / "glücklich, wer vergisst" entsprach, einfach auf sich beruhen lassen können, aber das entsprach wiederum weder seinem Anspruch noch seinem Naturell. Unter seinen Habsburger-Vorfahren fand sich niemand Geeignetes, aber unter seinen Amtsvorgängern in den österreichischen Erblanden hatte er längst einen Seelenverwandten und geeigneten Kandidaten ausgemacht: Leopold III.

Seit dreihundert Jahren beteten Menschen, feierten Gottesdienste und hielten Märkte an seinem Grab ab. Im Stift bellten noch einige wohl inzuchtgepeinigte Jagdhunde, die letzten direkten Nachkommen der Zeugen des Schleierwunders. Alles passte perfekt. Einzig die Darstellung des frommen Markgrafen gefiel Friedrich nicht. Unsummen von Bestechungsgeldern - Spenden - an und zähen Verhandlungen und Untersuchungen mit dem Heiligen Stuhl später, war der fromme Leopold von Österreich im Jahre des Herrn 1485 endlich heiliggesprochen, ein kanonischer Heiliger der römisch-katholischen Kirche.

Friedrich wollte aber keinen altväterlichen Tattergreis zu seinem Nationalheiligen machen, sondern einen tatkräftigen glattrasierten jugendlichen Renaissancefürsten. Alte weiße Männer waren schon damals nicht mehr in Mode. Nur in Österreich gingen die Uhren anders. Die Bevölkerung ließ sich ihren Leopold nicht mehr verändern, das heißt ihr Bild von ihm. Er war als alter großer Mann in Erinnerung geblieben, bislang so verehrt worden, und so würde es dem Habsburgerkaiser und Kardinälen zum Trotz auch bleiben. Da könnte ja jeder kommen! Schließlich hatten sie den frommen Markgrafen mit ihren Füßen schon lange vor den hohen Herren in Wien und Rom zu ihrem Heiligen Leopold bestimmt, und der sollte jetzt so bleiben wie sie ihn liebten. Sie, die Menschen waren das Maß aller Dinge. Die Renaissance war da, die Reformation stand vor der Tür.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: John Dowland/1563 - 1626
Album: Juwele der Renaissancemusik - Lieder und Tänze
Titel: M.Buctons Galiard
Ausführende: Camerata Hungarica
Leitung: Laszlo Czidra
Länge: 01:55 min
Label: Hungaroton HCD 11720-2

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