Die Musik des Oswald Wiener

21. November 2021, 22:05

Oswald Wiener ist am 18. November 2021 im Alter von 86 Jahren gestorben. Aus diesem Anlass wiederholen wir eine Sendung, die den Sprachtheoretiker, Dichter, Erkenntnistheoretiker und Vordenker der künstlichen Intelligenz von seiner musikalischen Seite zeigt. Auf Einladung von Christian Ludwig Attersee haben am 16. Juni 2019 Markus Lüpertz, Hermann Nitsch, Gerhard Rühm sowie Ingrid und Oswald Wiener gemeinsam im Belvedere 21 musiziert.

Man schloss dabei an eine seit den 1960er Jahren entwickelte, offene Konzertform an. Nach seiner Flucht nach Berlin - nach der Beteiligung an der Aktion "Kunst und Revolution" im Hörsaal 1 der Uni Wien, besser bekannt als "Uniferkelei", drohte ihm in Österreich ein Verfahren wegen "Gotteslästerung" - eröffnete er in jener Stadt eine Gaststätte. Dieses "Exil" genannte Lokal wurde zum Zentrum nicht nur für die Exil-Österreicher, sondern auch Keimzelle für eine Musizierpraxis, die ab 1974 unter dem Namen "Selten gehörte Musik" erstmals in München vorgestellt worden war. Beteiligt waren in der Folge unter anderem Oswald Wiener, Gerhard Rühm, Dieter Roth, Günter Brus, Hermann Nitsch, Arnulf Rainer und Christian Ludwig Attersee.

Rühm definierte diese musikalischen Performances: "stillosigkeit (...) als unmittelbares ausdrucksprinzip, andererseits unbekümmerte verwendung musikalischer zitate und spielformen - musik über musik". Gemeinschaftsarbeiten zu machen "war ja gewissermaßen schon eine Art Tradition innerhalb der Wiener Gruppe", erinnerte sich Rühm im Gespräch mit Ö1 vor dem Konzert im Jahr 2019. "Da sind immer Sachen entstanden, die einer allein nie gemacht hätte."

Musik spielte in den Konzepten der aufsehenerregenden Kunst, die sich in Österreich (und eben später im Berliner Exil) ab den 1960er Jahre entwickelt hat, eine tragende Rolle. Das gilt sowohl für die Wiener Aktionisten als auch für das Werk einzelner Kunstschaffender, die mit den Aktionisten eng befreundet waren. 35 Jahre nachdem Christian Ludwig Attersee zum ersten Mal das damalige 20er Haus mit seiner Matinee zum Beben gebracht hat, kehrte er 2019 anlässlich seiner Ausstellung "Attersee. Feuerstelle" an den Ort des Geschehens zurück.

Musiziert wurde unter dem Titel, der Anfang der 1970er Jahre ausgedacht worden war: "Selten gehörte Musik". Den Ursprung hat diese Form des gemeinsamen Improvisierens in den "Berliner Dichterworkshops". Dort "kam eine Mehrschichtigkeit zustande, die aufeinander eingespielte, in gemeinsamem Stil musizierende Improvisationsgruppen selten erreichen", erklärte Rühm den Beginn dieser kollektiven Kunstform.

"Musik ist eine wunderbare Sache", fasste es Oswald Wiener im Interview vor dem Konzert im Jahr 2019 zusammen. "Weil wir ihre Wirkungsmechanismen nicht verstehen - aber fast jeder spürt sie. Allerdings ist die Raffinesse, mit der sie gespürt wird, bei verschiedenen Personen natürlich sehr verschieden. Wenn man - um Cage zu zitieren - einen sensitiven Menschen nimmt: Der hört alles, was erklingt, als Musik. Das kommt hier natürlich stark zum Tragen."

Sendereihe

• Ö1 Kunstsonntag: Zeit-Ton extended

Gestaltung

• Rainer Elstner