Zwischenruf

Hannelore Reiner über Covid-19 und die Spaltung der Gesellschaft

Von Hannelore Reiner, Oberkirchenrätin A.D. der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich

Nun hat es mich also auch erwischt: Covid-19-positiv und das trotz dritter Impfung im September. Die Krankheitssymptome sind marginal, wie ja bei den meisten Geimpften, von denen ich höre. Dass es mir gesundheitlich so erstaunlich gut geht, ist wohl doch auf den Schutz der Impfung zurückzuführen. Aber der behördliche Prozess nimmt seinen Lauf. Eine Woche in Quarantäne, nicht weiters schlimm, denn es gilt ja ohnehin "Lockdown", also wenig bis keine Kontakte. Ich kann mich innerhalb meines Hauses frei bewegen, habe ein Telefon und kann Briefe schreiben, ja sogar Sonnenstrahlen im Garten genießen. Dennoch kreisen die Fragen in meinem Kopf: Wo könnte ich mich angesteckt haben?

Was mir aber viel mehr zu schaffen macht, ist die eigene Befürchtung, jemand aus Familie oder Freundeskreis angesteckt zu haben und meinen Verpflichtungen, wie dem Sonntagsgottesdienst nicht mehr nachkommen zu können. Dazu kommen die Reaktionen all jener, die um meinen Covid-Status wissen: Die einen kümmern sich so liebevoll, als ob ich schon schwer krank wäre, andere sind ängstlich um die eigene Ansteckung besorgt und dann gibt es noch jene, die bei mir einen neuerlichen Beweis für die Nutzlosigkeit der Impfung zu erkennen glauben.

So spiegelt sich in meinem privaten Leben der Riss, der sich in diesem Advent durch die Gesellschaft zieht, auch mitten durch die Pfarrgemeinden. Viele mühen sich redlich, den Riss zu kitten. Die Aussicht, dass, wenn die Infektionszahlen wieder geringer werden, auch die Einschränkungen aufgehoben und eine neue Freiheit möglich sein wird, mag hoffentlich ein erster Schritt in diese Richtung sein. "Freiheit" hat meine Nachbarin nach ihrer Quarantäne-Zeit lautstark gerufen und sich jubelnd auf ihr Fahrrad gesetzt.

Auch jene, die sich seit Monaten auf das Weihnachtsgeschäft vorbereitet, die Pisten präpariert und Personal für den Tourismus eingestellt haben, werden hoffentlich ähnlich jubeln können - vielleicht ein wenig leiser.

Für ein neues gutes Miteinander braucht es einen zweiten Schritt, den der gegenseitigen Verantwortung und Behutsamkeit, im Kleinen und im Großen. Mir ist bewusst, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist aber noch weniger helfen unverfrorene Demonstrationen von Impfgegnern zu einem neuen Miteinander.

Johannes der Täufer, an den in den evangelischen Kirchen am dritten Adventsonntag gedacht wird, würde inmitten von Demonstrationen unserer Tage gar nicht besonders auffallen. Aber seine Botschaft, die damals von Jung und Alt gehört und befolgt wurde, muss meiner Überzeugung nach auch heute Gehör finden: Das Himmelreich ist nahe, darum fangt endlich wieder an aufeinander zu zugehen.

Es braucht Hochachtung und Respekt und entsprechende Entlohnung für die, die sich in den Spitälern abmühen. Zeigt euer gegenseitiges Verständnis und nehmt euch und eure persönliche Meinung einmal ein Stück weit zurück. Besucht stattdessen die Einsamen - und sei es auch nur für eine kurze Stunde und wenn nicht anders möglich per Telefon oder online. Das wird den Riss in der Gesellschaft überwinden helfen und gegenseitige Verurteilungen werden keinen Platz mehr haben. Was gäbe es für eine bessere Zeit, um zu beginnen, die Botschaft des Johannes in Stadt und Land umzusetzen, als gerade jetzt, zwei Wochen vor Weihnachten?

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach
Album: SENZA RIPIENO / The Wave Quartet
Titel: Contrapunctus IV aus "Die Kunst der Fuge" BWV 1080 / Transkription für Marimbaquartett
Gesamttitel: Die Kunst der Fuge BWV 1080 / Auswahl, transkribiert für vier Marimbaphone (00:17:55)
4 Marimbas
Ausführende: The Wave Quartet
Ausführender/Ausführende: Bogdan Bacanu /Marimba
Ausführender/Ausführende: Vladimir Petrov /Marimba
Ausführender/Ausführende: Christoph Sietzen /Marimba
Ausführender/Ausführende: Emiko Uchiyama /Marimba
Länge: 04:59 min
Label: CCR62007 Classic Concerts

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