Hubert Gaisbauer

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Gedanken für den Tag

"Trutznachtigall - Gedanken über Friedrich Spee von Langenfeld" von Hubert Gaisbauer, Autor und Kulturpublizist

"O Heiland, reiß die Himmel auf" ist wahrscheinlich das bekannteste Adventlied. Als Verfasser gilt der Jesuit Friedrich Spee. Die fünf Strophen schließen an Verse des Propheten Jesaja an, wo es heißt: "Ach, dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen", und davor heißt es: "Warum lässt du uns abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten?"

Es sind harte Bilder von Irregehen, Finsternis, Verzweiflung, Schloss und Riegel, die Hilferufe kraftvolle Imperative: reiß, lauf, gieß, brich, schlag aus und komm. Erstmals veröffentlicht wurde das Lied vor vierhundert Jahren in der in Würzburg gedruckten katechetischen Liedersammlung "Das Allerschönste Kind in der Welt".

An die hundert geistliche Lieder hatte der gerade dreißigjährigen Jesuit Friedrich Spee bereits geschrieben, als er 1622 von Mainz nach Paderborn geschickt wurde, er sollte dort Philosophie dozieren - vor allem aber den evangelischen Adel wieder katholisch machen. Aus diesen Jahren belegen Dokumente Hexenprozesse größten Stils, vorgesehen als Mittel der Sozialdisziplinierung, aber ebenso zum Füllen der Kassen der Obrigkeit, da das Vermögen der unschuldig und öffentlich Verbrannten eingezogen wurde.

Dies alles hat der empfindsame und kluge Priester Spee erlebt und verinnerlicht, als Beichtpriester von Frauen und Männern, die wegen Hexerei auf den Scheiterhaufen mussten. In seiner berühmten Streitschrift "Cautio Criminalis", die 1631 anonym erschienen war, schreibt er: "Von mir kann ich sagen, dass ich an vielen Orten so manche Hexen zum Tode begleitet habe, . aber ich habe nichts finden können als Schuldlosigkeit allenthalben."

An den Anfang dieser Schrift setzte Spee einen Satz von Seneca: "Ich will dir zeigen, was den großen Herren mangelt, und was denen fehlt, die alles besitzen: Einer der die Wahrheit spricht." Die vorletzte Strophe des Adventlieds "O Heiland reiß die Himmel auf" geht dann so:
"O klare Sonn, du schöner Stern,
dich wollten wir anschauen gern;
o Sonn, geh auf, ohn deinen Schein
in Finsternis wir alle sein."

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Bearbeiter/Bearbeiterin: Paul Angerer
Komponist/Komponistin: Anonym
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Friedrich von Spee
Album: ALTE DEUTSCHE WEIHNACHTSLIEDER
Titel: O Heiland, reiß die Himmel auf - Melodie aus dem Rheinfelsischen Gesangsbuch
Solist/Solistin: Ernst Haefliger
Ausführende: Concilium musicum
Leitung: Paul Angerer
Länge: 03:54 min
Label: Claves 508408

weiteren Inhalt einblenden