Orientierung in der Krise

21. Dezember 2021, 13:00

Sie gilt als geistiger Hintergrund der Demokratie, des Rechtsstaats, der Menschenrechte: die Aufklärung, die ab der Mitte des 17. Jahrhunderts einsetzte - als Befreiung von religiösen Dogmen, Aufruf zum Hinterfragen scheinbarer Gewissheiten durch das Mittel der Vernunft, zum "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit", wie der Philosoph Immanuel Kant es formulierte.

Wiederholt sind die Aufklärung und ihre Vordenker:innen allerdings vehement kritisiert worden, von konservativen Zeitgenossen, später als Wegbereiter der Schattenseiten des Fortschritts in der Streitschrift "Dialektik der Aufklärung" von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, zuletzt in post-kolonialen Debatten als Wegbereiter eines eurozentrischen Denkens.

"Die Aufklärung" bezeichnet aber sehr Verschiedenes, argumentiert der Historiker Wolfgang Schmale: schon zu ihrer Zeit, und umso mehr als "Aufklärung nach der Aufklärung" - so, wie sie bis in die Gegenwart fortlebt, als Orientierungs- und Streitpunkt. Bei den Debatten über das Wesen der Aufklärung gehe es letztlich um unsere demokratische Identität - wie demokratische Werte verinnerlicht und praktiziert werden, und die Aufklärung bleibe dafür ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Bezugspunkt, durch das Fehlen überzeugender Alternativen.

Wolfgang Schmale hat der Aufklärung und ihrem Zusammenhang zur Demokratie sein jüngstes Buch und seine Abschiedsvorlesung als Professor für Geschichte an der Universität Wien gewidmet. Johann Kneihs spricht mit ihm über die verschiedenen Gesichter der Aufklärung, ihre Aktualität und Notwendigkeit.
Hörer:innen sind wie immer eingeladen, sich am Gespräch zu beteiligen, telefonisch während der Sendung unter 0800 22 69 79, kostenfrei aus Österreich, oder per E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Buch:
Wolfgang Schmale: Gesellschaftliche Orientierung. Geschichte der "Aufklärung" in der globalen Neuzeit (19. bis 21. Jahrhundert). Franz Steiner Verlag 2021

Sendereihe

• Punkt eins

Gestaltung

• Johann Kneihs