Radiokolleg - Lexikon der österreichischen Popmusik

5. Jänner 2022, 09:45

Sex Jams - Krachrock zum Börsenkrach
Es scheppert. An den Börsen und in den Ohren. Als die Welt 2008 die größte Finanzkrise der Nachkriegszeit erlebt, finden sich drei Personen im Osten Österreichs zusammen, um ihre diffuse Wut auf die Welt in Krach umzuwandeln. Sie bilden die Band Sex Jams, die später auf fünf Bandmitglieder anwächst. Die Sex Jams werden zum Kernstück einer Wiener Szene, die in den 2010er Jahren nach wie vor unabhängig und selbstorganisiert arbeitet, Labels und neue Band-Konstellationen gründet, die sonisch experimentiert und kreativen Ausdruck selbstverständlich lebt, Bier aus Dosen trinkt und aufs Erwachsenwerden, so scheint es jedenfalls, pfeift.

Die Haltung erinnert nicht zufällig an die frühen Neunziger, als viele Bands klassische Rockstrukturen in Lärm ertränkten, um sich aus dem Spiel der Vermarktungslogik zu nehmen. Einige warten darauf, dass Noise-Rock ein Revival erleben könnte. Immerhin verhält es sich oft so in der Geschichte von Popmusik. Wenn eine neue Generation die Sounds früherer Jahrzehnte nicht kennen kann, probiert sie sich oft erneut an ihnen aus. Mods, Post-Punk, Synth-Pop oder Acid Techno hatten solche Wellen von Popularität erlebt. Dieses Mal aber spielt der Zeitgeist nicht recht mit. Das Noise-Rock-Revival wird ein Strohfeuer bleiben. Die Sex Jams veröffentlichen drei Alben, sie touren neben Europa auch durch die USA und gehen dann auseinander.

Die einzelnen Mitglieder bleiben aktiv. Allen voran Rampensau Katarina Maria Trenk. Sie produziert Ambient-Sounds, Tonbildpostkarten, Lieder in Mundart oder Beislprotokolle für die Vienna Design Week. Bei dem kleinen dadaistischen Sommerhit von Euroteuro "Autogrill" mischt sie - so wie Sex-Jams-Kollege Florian Seyser - ebenfalls mit. Gitarrist Wolfgang Möstl orientiert sich mit dem Projekt Mile Me Deaf in Richtung psychedelischen Chillwave, während er weiter Alben und Singles der österreichischen Indie-Szene produziert. So werden die Sex Jams zu einer Art Nukleus für Gitarrenrock aus Österreich, der gezielt an Vermarktbarkeit vorbeischießt und das wilde Leben zur obersten Maxime erklärt.
Gestaltung: Stefan Niederwieser

Im Lexikon der österreichischen Popmusik
wird das Leben und Werk von mehr als 100 Musiker/innen und Bands gewürdigt.

Service

Lexikon der österreichischen Popmusik

Kostenfreie Podcasts:
Radiokolleg - XML
Radiokolleg - iTunes

Sendereihe

• Radiokolleg