Ein Mann in einer Menschenmenge hält eine Boric Fahne in die Höhe.

AFP/MARTIN BERNETTI

Punkt eins

Eine ökosoziale Zukunft für Chile?

Der chilenische Politikwandel als Suche nach Auswegen aus Neoliberalismus und Umweltkrise.
Gäste: Ulrich Brand, Universitätsprofessor für Internationale Politik und Leiter des Forschungsverbund Lateinamerika, Universität Wien;
Nibaldo Vargas, Sozialarbeiter und Aktivist.
Moderation: Xaver Forthuber.
Anrufe kostenlos aus ganz Österreich unter 0800 22 69 79, E-Mails an punkteins(at)orf.at

Mit einer ambitionierten Reformagenda will der sozialistische Wahlsieger Gabriel Boric das Präsidentenamt in Chile antreten. Viele seiner Anhänger:innen halten ihn für das erste "wirklich linke" Staatsoberhaupt seit Salvador Allende, der 1973 in einem von den USA unterstützten Militärputsch gestürzt worden war. Was folgte, war die Militärdiktatur unter Augusto Pinochet - und ein großes Experiment des ungezügelten, neoliberalen Kapitalismus auf lateinamerikanischem Boden - ein Kurs, der auch nach der Rückkehr der Demokratie 1990 im Wesentlichen fortgesetzt wurde. Noch bis vor kurzem galt Chile in dieser Hinsicht manchen als ein wirtschaftliches Musterland. Stabile Wachstumsraten und eine rasante wirtschaftliche Entwicklung wurden allerdings mit Raubbau an der Natur und massiver sozialer Ungleichheit erkauft.

Seit 2019 eskalierten die Proteste einer Bürger:innenbewegung, die sich mit den steigenden Lebenshaltungskosten bei niedrigen Reallöhnen nicht länger abfinden wollten. Die Regierung unter Sebastián Piñera reagierte mit Repression: 34 Menschen wurden getötet, tausende festgenommen. Schließlich wurde per Plebiszit ein Verfassungskonvent eingesetzt, der im vergangenen Sommer die Arbeit aufnahm. Denn die gültige Verfassung Chiles spiegelt in weiten Teilen noch den Geist der Pinochet-Ära. Wasser ist dort als Privatbesitz definiert und zur Gänze dem Markt unterworfen - so gelangten die Wasserrechte mancherorts in die Hände von Minen- und Industriebetrieben, während vor allem im Landesinneren viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Privatisiert sind in Chile etwa auch die Pensionen sowie Teile der Gesundheitsversorgung und des Bildungssystems.

In der neuen verfassungsgebenden Versammlung haben nun größtenteils unabhängige Umwelt- und Sozialaktivist:innen das Sagen. Rund die Hälfte der Mitglieder sind Frauen, die Vorsitzende, Elisa Loncón, ist eine Vertreterin der indigenen Mapuche. Soziale und ökologische Baustellen gibt es in Chile genug - akut geht es derzeit unter anderem um ein umstrittenes Wasserkraftprojekt in der Nähe von Santiago mit österreichischer Beteiligung, sagt Nibaldo Vargas, der als Exil-Chilene von Österreich aus Kontakte in die Heimat seiner Familie hält und die Ereignisse verfolgt.

Mit den drängenden Klassenfragen in Chile beschäftigt sich auch der Politologe Ulrich Brand - auch wenn die Bevölkerung nach wie vor tief gespalten sei, bestehe durch den politischen Wandel zumindest Hoffnung auf eine progressive, gerechtere Verfassung, bekräftigte er kürzlich in einer Presseaussendung. Ulrich Brand und Nibaldo Vargas sind zu Gast bei Xaver Forthuber.

Reden Sie mit: Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 / 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at.

Sendereihe

Playlist

Urheber/Urheberin: Evelyn Cornejo
Titel: La Chusma Inconsciente; zT unterlegt
Ausführender/Ausführende: Evelyn Cornejo
Länge: 05:50 min
Label: Sello Azul

Urheber/Urheberin: Michu MC
Titel: Mujer; zT unterlegt
Ausführender/Ausführende: Michu MC & Evelyn Cornejo
Länge: 04:07 min
Label: Castillo Sonoro

Urheber/Urheberin: Evelyn Cornejo
Titel: El Gallo Roberto; zT unterlegt
Ausführender/Ausführende: Evelyn Cornejo
Länge: 03:56 min
Label: Sello Azul

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