Jean-Baptiste Pocquelin

GEMEINFREI

Gedanken für den Tag

Misanthrop und Moralist

Komödiant des Menschlichen - Zum 400. Geburtstag von Moliere
von Wolfgang Müller-Funk, Literaturwissenschafter

Das Wort Moralismus hat mehrere Bedeutungen. Es bezeichnet Menschen, die moralische Prinzipien geltend machen, aber auch solche, die die Moral vor sich hertragen und als Waffe gegen andere geltend machen, die Moralisierer, die hohe moralisch Ansprüche vornehmlich an andere stellen. Moralismus bezeichnet aber auch die scharfsinnige Beobachtung all jener, nicht selten egoistischen Verhaltensweisen, all jener "Mores", Sitten, die nicht selten durch schöne Worte übermalt werden.

Alcest, die Hauptfigur in Molieres Komödie Le Misanthrope ist solch ein Moralist. Gleich zu Anfang entrüstet er sich über das soziale Geschick seiner Herzensdame Celimene, einer gewandten und gewitzten Salonlöwin, die sich in Gesellschaft wie ein Fisch im Wasser bewegt, witzig, kommunikativ und ohne Bedenken, in den Schminktopf der Schmeichelei zu greifen. Sie verschmäht auch nicht eine gewisse Dosis an Intrige: "Kann ich dafür, wenn man für liebenswert mich hält?", sagt sie nicht ohne Koketterie zum Freund. Dieser ist vom Drang nach Aufrichtigkeit beseelt, die freilich eine verletzende Unhöflichkeit mit sich bringt. Fortwährend befindet er sich daher im Streit mit seiner Umgebung.

Dieser Konflikt, hier als einer zwischen Mann und Frau vorgeführt, ist so aktuell wie unauflöslich. Darin besteht auch der Witz des Stückes, wenn Celimene nach einem Feuerwerk von Intrigen und Verwirrungen den Vorschlag ihres Freundes ablehnt, mit ihm "das Menschenvolk zu fliehn", weil sie "mit zwanzig Jahren" die Einsamkeit fürchtet. So kommen die Liebenden am Ende nicht zusammen, obwohl die Frau den Mann wegen seiner Wahrhaftigkeit liebt.

Das Problem des misanthropischen Menschen bleibt sein prekäres Verhältnis zu sich selbst, muss er sich doch selbst in die Geringschätzung alles Menschlichen mit einbeziehen. So findet das komisch kontroverse Paar am Ende nicht zusammen. Über die verweigerte Geselligkeit des Manns ist sanfte Ironie gelegt. Die Palme der Klugheit gebührt am Ende der Frau.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Nino Rota 1911-1979
Album: NINO ROTA: ORCHESTERWERKE VOL.3 - Grazioli/Orch.Sinf. di Milano G.Verdi
* 15. Tartufe (00:02:32)
Titel: LE MOLIÈRE IMAGINAIRE - Ballett-Komödie (Ballet-Comédie) in 2 Akten von Choreograph Maurice Béjart 1976
2.AKT
Orchester: Orchestra Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi
Leitung: Giuseppe Grazioli
Länge: 02:32 min
Label: Decca/Universal 4810694 (2 CD)

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