ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Das Ö1 Konzert
Meisterinwerk?
(I) Columbia Symphony Orchstra, Dirigent: Igor Strawinsky; Isaac Stern, Violine. Igor Strawinsky: Konzert für Violine und Orchester D-Dur (II) BBC Symphony Orchestra, Dirigent: Sakari Oramo. Dora Pejacevic: Symphonie fis-Moll op. 41 (aufgenommen am 26. November 2021 in der Barbican Hall, London) (III) Ida Gamulin, Klavier. Dora Pejacevic: Mastanja, Fantasiestücke für Klavier op. 17. Präsentation: Peter Kislinger
26. Jänner 2022, 14:05
Wiederentdecktes Meisterwerk?
Von einem "wiederentdeckten Meisterwerk" sprachen die BCC und Sakari Oramo, der Chefdirigent des BBC Symphony Orchestra. Gemeint war die einzige Symphonie der kroatischen Komponistin Dora Pejacevic.
Entstanden ist das Werk während des Ersten Weltkrieges. Als Oramo die erste Seite der Partitur aufschlug, hatte er nicht nur von der Existenz dieser Symphonie keine Kenntnis gehabt, er hatte nicht einmal den Namen der 1885 in Budapest in eine ungarisch-kroatische Aristokratenfamilie geborenen Komponistin gehört. Dabei ist bereits seit 2011 eine CD mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung seines finnisches Landsmanns Ari Rasilainen erhältlich. Auch wer Ö1 hört, könnte Werken der Komponistin in den letzten 30 Jahren begegnet sein. Eine recht oberflächliche Online-Suche hat allein für die letzten 15 Jahre mehr als 30 Hits ergeben - meist Kammermusik, aber auch die etwa 45-minütige fis-Moll-Symphonie war zu hören.
Zu ihrem Bekanntenkreis zählten etwa Sidonie Nádherná von Borutín, Karl Kraus oder Rainer Maria Rilke. Von ihrer Familie und ihrer Herkunft distanzierte sich Gräfin Maria Theodora Paulina Pejacevic und nannte sich Dora Pejacevic. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 half sie im kroatischen Nasice, dem Sitz ihrer Familie, als Pflegerin von Verwundeten. An der Symphonie arbeitete sie 1916/17. 1918 wurden zwei Sätze des Werkes im Großen Musikvereinssaal in Wien vom bis 1933 bestehenden Wiener Tonkünstler-Orchester unter der Leitung von Oskar Nedbal uraufgeführt. Im Programmheft wurde der Name "D. Pejacevic" gedruckt. Der Rezensent, wohl auch das Publikum, waren überrascht, als eine Frau am Podium den Applaus entgegennahm. Die Uraufführung der vollständigen Symphonie in ihrer überarbeiteten Fassung fand zwei Jahre später in Dresden statt. Der damalige Stardirigent Arthur Nikisch soll sich für die Symphonie interessiert haben, starb aber, bevor es zu einer Aufführung kam.
Dora Pejacevic starb 1923 in München nach der Geburt ihres ersten Kindes. Noch während der Schwangerschaft bat sie ihren Ehemann, er möge dem Kind "die Wege ebnen", es aber nie daran hindern, "das Leiden kennenzulernen, das die Seele veredelt, denn nur so kann man ein runder Mensch werden. . Wenn es eine große Begabung hat, gib ihm alles, um diese Begabung zu fördern. Vor allem aber gib ihm Freiheit, wenn es sie sucht, denn durch die Abhängigkeit von Eltern und Verwandten kann viel verloren gehen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Und handle so, egal ob es ein Knabe oder ein Mädchen ist, denn jede Begabung, jedes Genie, bedarf gleicher Förderung, und das Geschlecht des Kindes darf dabei keine Rolle spielen."
Beim ersten Mal Hören wirke das Werk sehr melodisch, sagt Oramo, sehr emotional, wie typische Musik der Hoch-, der Spätromantik. Dann gibt es wiederum Passagen, die in die Zukunft schauen: Die Harmonik wandert und erweckt den Eindruck, sie sei ziellos, aber plötzlich findet sie ihren Weg, das sei durchdacht, "diese suchenden Passagen passieren nicht zufällig. Dora Pejacevic möchte in ihrem Opus magnum Alltägliches und Tragisches transzendieren. "Freilich gibt es Tragik, vor allem im 1. Satz, aber das Werk geht über diese Stimmung hinaus, die Musik wird wieder aufgewühlt, erregt, aber nicht mehr so tragisch wie im 1. Satz. Vielleicht hat diese Symphonie etwas von diesem Durch-Nacht-zum Licht an sich."
Kein Meisterwerk?
Für den Kritiker der Financial Times war diese Symphonie kein "masterwork". Er hörte "ein regelrechtes romantisches Spektakel, ohrenbetäubend laut, melodiös und extravagant, als wären Dvorák und Richard Strauss einander im Kriegsgebiet begegnet und hätten versucht, einander in verschwenderischer musikalischer Gestik zu übertreffen. . Errol Flynn hätte sich im Film zu dieser schmissigen Musik austoben können. Wenn ein Hollywood-Filmmogul auf der Suche nach einem pompösen, romantischen Soundtrack ist, hier kann er fündig werden." Am 3. und 4. Februar wird sich das Publikum in Leipzig ein Urteil bilden können: Das Gewandhausorchester spielt das Werk unter der Leitung von Andris Nelsons.
Service
ABC Classic
Zentrum für Kunst und Medien
Financial Times
Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Igor Strawinsky
Album: IGOR STRAWINSKY EDITION / VOL.5 : KONZERTE
Titel: Konzert für Violine und Orchester in D-Dur
Violinkonzert
* Toccata - 1.Satz (00:05:33)
* Aria I - 2.Satz (00:04:09)
* Aria II - 3.Satz (00:05:08)
* Capriccio - 4.Satz (00:05:55)
Leitung: Igor Strawinsky
Orchester: Columbia Symphony Orchestra
Solist/Solistin: Isaac Stern /Violine
Länge: 20:49 min
Label: SONY SMK 46295
Komponist/Komponistin: Dora Pejacevic/1885-1923
Titel: Symphonie in fis-Moll op.41
* Andante maestoso - Allegro con moto - 1.Satz
* Andante sostenuto - 2.Satz
* Scherzo. Molto allegro - 3.Satz
* Allegro appassionato - 4.Satz
Orchester: BBC Symphony Orchestra
Leitung: Sakari Oramo
Länge: 45:45 min
Label: EBU
Komponist/Komponistin: Joseph Haydn/1732 - 1809
Bearbeiter/Bearbeiterin: Fritz Kreisler/1875 - 1962
Titel: Gott erhalte, Gott beschütze - Österreichische National Hymne - Bearbeitung für Violine und Klavier
Populartitel: Kaiserhymne
Solist/Solistin: Vilde Frang /Violine
Länge: 02:50 min
Label: EBU
Komponist/Komponistin: Dora Pejacevic / 1885 - 1923
Album: Dora Pejacevic | Sämtliche Klavierwerke
Titel: Blumenleben - Zyklus für Klavier oo. 19
* Nr. 8 Chrysanthemen
Solist/Solistin: Natasa Veljkovic / Klavier
Länge: 02:30 min
Label: cpo 8445338