Medizinisches Personal in China, Eislaufhalle

AP/JEFF ROBERSON

Gedanken für den Tag

Heiner Boberski über Patriotismus und Nationalismus im Sport

Olympia auf dünnem Eis - Gedanken zu den Olympischen Winterspielen in Peking von Heiner Boberski, Journalist und Buchautor

Olympische Winterspiele wecken viele persönliche Erinnerungen. Mir rufen sie zum Beispiel Innsbruck 1964 ins Gedächtnis, als die Direktion und der Lehrkörper am Gymnasium, dessen dritte Klasse ich damals besuchte, Sportbegeisterung zeigten. Der Abfahrtslauf der Herren fand während einer Geschichtsstunde statt. Ein Mitschüler hatte ein kleines Radio mit. Unser Professor ermunterte ihn, das Gerät einzuschalten, so dass wir live den Sieg unseres Landsmannes Egon Zimmermann miterlebten. Soweit ich mich erinnere, schloss der Lehrer die Stunde mit den Worten. "Damit wollen wir unsere historischen Betrachtungen über Tirol im Jahr 1964 beenden."

Den Abfahrtslauf der Damen durften wir sogar mit Kollegen aus anderen Klassen auf einer großen Leinwand im großen Zeichensaal anschauen. Als die Österreicherin Traudl Hecher Bestzeit erzielte, gab es Applaus. Als dann Edith Zimmermann noch schneller war, schwoll der Beifall an, und als schließlich Christl Haas mit einer Traumfahrt die Führung übernahm, kannte der durch Beifall und Trampeln ausgedrückte Jubel keine Grenzen. Alle drei Medaillen gingen an Österreich, Lehrer und Schüler freuten sich, die Schule erwies sich als Förderin des Patriotismus.
Ich halte es fast für unvermeidbar, dass man im Sport zumindest insgeheim Partei ergreift und für bestimmte Athleten und Athletinnen oder Vereine die Daumen drückt. Wer hält bei internationalen Großereignissen nicht zu den eigenen Landsleuten? Natürlich empfanden es vor allem wir Österreicher als ungerecht, als Karl Schranz 1968 durch eine umstrittene Disqualifikation um den Olympia-Slalomsieg gebracht und schließlich 1972 sogar von den Winterspielen ausgeschlossen wurde.

Mein einst großer Patriotismus ist im Lauf der Jahre abgeklungen und hat immer eine deutliche Grenze zu übersteigertem Nationalismus gezogen. Für Pfeifkonzerte gegenüber Sportlern anderer Nationen, wie sie etwa bei Olympia 1976, seitens österreichischer Fans, Skispringern aus der DDR zuteilwurden, fehlte mir immer jegliches Verständnis. Beruht echter Sportsgeist nicht auf absoluter Fairness? Verlangt er nicht die gebührende Anerkennung aller Leistungen, auch jener, die nicht von den eigenen Sportlieblingen erbracht werden?

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Mark Oliver Everett
Album: TOMORROW MORNING
Titel: Spectacular girl
Ausführende: Eels
Länge: 02:00 min
Label: E Works/V2 Records/Universal VVR 2744349

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