Des Cis

Streichquartett-Entdeckungen von Florence B. Price

mit Rainer Elstner. Mitreißende Ersteinspielungen: Das Catalyst Quartet und Michelle Cann interpretieren Kammermusik von Florence B. Price

Antonín Dvorák sah in der Tradition der afroamerikanischen Spirituals die Chance, eine genuine US-amerikanische Klassik-Tradition zu gründen. Mit wenigen Ausnahmen fand dieser Entwicklungsstrang keinen Eingang in den Kanon - das ändert sich.

Das Werk der afroamerikanischen Komponistin Florence B. Price (1887-1953) erlebt ein Revival. Sie war 1933 die erste Afroamerikanerin, deren Orchesterwerk von einem großen US-Orchester gespielt wurde - nun finden ihre Kompositionen wieder große Beachtung. Aufnahmen ihrer Symphonien (etwa durch das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter John Jeter und das Philadelphia Orchestra unter Yannick Nézet-Séguin) erregten jüngst große Aufmerksamkeit. Nun hat das US-amerikanische Catalyst Quartet facettenreiche Streichquartett-Kammermusik der bedeutenden US-Komponistin aufgenommen, darunter zwei Klavierquintette (mit der Pianistin Michelle Cann) und zwei Streichquartette.

Insgesamt vier Ersteinspielungen finden sich auf dieser beim Label Azica Records erschienenen CD. Es ist dies ein erzählerisch musiziertes, mitreißendes Plädoyer für das Werk von Price - und gleichzeitig das Vol. 2 der Serie "Uncovered", in der das Ensemble afroamerikanische Komponist/innen präsentiert, deren Werk bisher kaum in den Kanon gefunden hat.

Price wächst in Arkansas auf. Zu ihrer Lebenszeit gibt es in dieser Gegend im Südosten der USA noch Lynchmorde an Afroamerikaner/innen. Die Tochter aus gutbürgerlichem Haus studiert am New England Conservatory - eines der wenigen Konservatorien der USA, das damals afroamerikanische Studierende aufnimmt.

In Arkansas sieht sie das Wohl ihrer Kinder bedroht - ihr Umzug nach Chicago erlaubt zudem weitere Entwicklungsschritte. Sie gibt Musikunterricht, begleitet Stummfilme in Kinos, komponiert Unterrichtsstücke für Klavier, schreibt Songs unter einem Pseudonym. Mit 44 Jahren trennt sie sich von ihrem gewalttätigen Ehemann und ist damit alleinerziehende Mutter.

Trotz aller Hürden gewinnt sie den prestigeträchtigen Wanamaker-Wettbewerb, das Chicago Symphony Orchestra wird so auf ihre Symphonie aufmerksam und setzt sie 1933 aufs Programm - ein Meilenstein, es ist das erste Mal, dass ein großes Profi-Orchester in den USA Musik einer Afroamerikanerin spielt.

Der Platz im Kanon der Musikgeschichte bleibt ihr jedoch verwehrt, Price stirbt 1953 - erst in den letzten Jahren ist es zur Wiederentdeckung ihres Werks gekommen, das hat auch mit einem sensationellen Notenfund zu tun: 2009 werden dutzende Partituren von Price auf einem Dachboden gefunden, in einem verlassenen, teilweise devastierten Haus, das renoviert werden soll. Wie sich herausgestellt, war das die ehemalige Sommerresidenz der Komponistin. Der Verlag G. Schirmer sichert sich die Rechte an ihren Werken.

Stilistisch hat sich Price ganz bewusst in zwei Traditionslinien gesehen: einerseits in der klassischen europäischen Tradition à la Dvorák, was die Form ihrer Stücke betrifft: Sonatenform, Kontrapunkt, Harmonielehre. Aber als Material nutzt sie die afroamerikanische Musiktradition: modale Skalen, Tänze der Sklavenarbeiter, Lieder, Spirituals. Eine ihrer Sammlungen von Stücken für Streichquartett nennt sie "Negro Folksongs in Counterpoint". Kontrapunktische Studien auf afroamerikanisches Liedgut.

Die Aktuelle Meldung dieser Sendung streift auch das Thema Diversität: Die Berliner Philharmoniker haben sich bei der vakanten Stelle des ersten Solo-Bratschisten für den 27-jährigen Diyang Mei entschieden, der erste chinesische Staatsbürger in den Reihen dieses Orchesters. Auch in Wien gab es Probespiele, gleich drei neue Stellen im Orchester der Wiener Staatsoper wurden besetzt - diese Stelle ist die Grundlage dafür, nach einem Jahr Mitglieder der Wiener Philharmoniker werden zu können. Die in Korea geborene US-Geigerin Hannah Cho hat ihr Probespiel gewonnen, ebenso der Geiger Lucas Takeshi Stratmann, beide wurden an der Juilliard School ausgebildet sowie in der Orchesterakademie der Wiener Philharmoniker. Zudem hat der in Graz geborene Christoph Hammer eine Viola-Stelle im Staatsopernorchester ergattert.

Service

Aktuelle Aufnahme:
"Uncovered Vol 2: Florence B Price", Catalyst Quartet, Azica Records

Service
Catalyst Quartet
Facebook - Azica Records

Sendereihe

Gestaltung

  • Rainer Elstner

Playlist

Komponist/Komponistin: Florence B. Price
Album: Uncovered, Vol. 2: Florence B. Price
Titel: Piano Quintet in A Minor: III. Juba
Ausführende: Catalyst Quartet
Ausführende: Michelle Cann
Länge: 03:46 min
Label: Azica Records

Komponist/Komponistin: Florence B. Price
Album: Uncovered, Vol. 2: Florence B. Price
Titel: Negro Folksongs in Counterpoint for String Quartet: No. 3, Little David Play On Yo' Harp
Ausführende: Catalyst Quartet
Länge: 01:39 min
Label: Azica Records

Komponist/Komponistin: Florence B. Price
Album: Uncovered, Vol. 2: Florence B. Price
Titel: String Quartet No. 2 in A Minor: II. Andante cantabile
Ausführende: Catalyst Quartet
Länge: 06:29 min
Label: Azica Records

Komponist/Komponistin: trad.
Album: All for Freedom
Titel: Juba
Ausführende: Sweet Honey In The Rock
Ausführende: Adam Elementary School Singers
Länge: 03:11 min
Label: Music For Little People - MLP D-2230

Komponist/Komponistin: Florence B. Price
Album: Uncovered, Vol. 2: Florence B. Price
Titel: String Quartet No. 2 in A Minor: III. Juba
Ausführende: Catalyst Quartet
Länge: 03:50 min
Label: Azica Records

Komponist/Komponistin: Florence B. Price
Album: Uncovered, Vol. 2: Florence B. Price
Titel: Piano Quintet in A Minor: IV. Scherzo
Ausführende: Catalyst Quartet
Ausführende: Michelle Cann
Länge: 02:52 min
Label: Azica Records

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