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Radiogeschichten Spezial
Der Ö1 Essay von Elias Canetti
Der Ö1 Essay: Klassiker aus dem Archiv. Elias Canetti liest aus "Das Augenspiel", Hanser Verlag. Eine Aufnahme aus dem Jahr 1985
11. März 2022, 11:05
Elias Canetti fällt in vielerlei Hinsicht aus dem Rahmen. Spätestens mit dem Nobelpreis 1981 wurde die Frage akut, welcher Nationalität er eigentlich sei. Bulgare aufgrund seiner Geburt? Österreicher, weil er viele Jahre in Wien gelebt hat, dort seine kulturelle Prägung erfahren und seinen ersten Roman "Die Blendung" geschrieben hat? Engländer, weil er Jahrzehnte lang dort gelebt und die Staatsbürgerschaft erhalten hat? Schweizer, weil er die letzten zwanzig Jahre seines Lebens - die Jahre des späten Ruhms - in Zürich verbracht hat?
Geschrieben hat Canetti immer auf Deutsch, in einem unverkennbar an Karl Kraus und Robert Musil orientierten Stil, wenngleich bei ihm aus der Kenntnis der Psychoanalyse die Triebhaftigkeit des Menschen stärker zum Ausdruck kommt. Das wird besonders in der 1935 erstmals erschienenen "Blendung" deutlich und führt konsequent zu seinem Hauptwerk, der umfangreichen Studie "Masse und Macht", die 1960 erschien. Damals, in den sechziger Jahren erst, begann die literarische Öffentlichkeit auf Canetti aufmerksam zu werden. Drei Jahrzehnte lang war er ein mehr oder weniger erfolgloser aber äußerst selbstbewusster Schriftsteller zwischen allen Stühlen gewesen, ortlos, einerseits durch das Londoner Exil ab 1939, aber auch durch seine lebenslange Weigerung, sich stilistisch irgendwo zuordnen zu lassen oder einem Milieu anzugehören.
Auch wenn er seinen späten Ruhm genoss, blieb Elias Canetti ein Außenseiter, der seinem Frühwerk, bestehend aus der "Blendung", zwei Theaterstücken und "Masse und Macht" neben Aufzeichnungen und Skizzen nur noch drei autobiografische Bände hinzufügte. 1977 "Die gerettete Zunge", 1980 "Die Fackel im Ohr" und 1985 "Das Augenspiel". Posthum folgte mit "Party im Blitz. Die englischen Jahre" noch ein vierter Teil, den er selbst vermutlich so nie publiziert hätte.
Sendereihe
Gestaltung
- Peter Zimmermann