Rosenbüsche, ein Mann auf einer Bank in Tiefenunschärfe

APA/HELMUT FOHRINGER

Radiokolleg - Verlass Dich nicht auf Dein Gefühl

Wie wir Entscheidungen treffen (1). Gestaltung: Hans Groiss

"Hör auf Deinen Bauch", rät die gute Freundin in der Trennungssituation. "Verlass Dich auf Deine Intuition", gibt einem der Freund zum Kauf einer Wohnung mit. "Du wirst es im richtigen Augenblick schon wissen", meinen die Eltern und glauben dabei wohlwollend zu sein. Nur: Kann ich wirklich wissen, was ich will und brauche - ganz aus mir selbst heraus? In einer mediatisierten und konsumorientierten Welt ist das schwer: im Bett liegend checke ich meine sozialen Medien und Stunden später habe ich Lust auf einen Schokoriegel.

Ich habe bereits vergessen, dass mir diese Lust suggeriert wurde von einem Bildchen, dass ich in Sekundenschnelle wegwischte. Wirkliches Nachdenken war nicht möglich und im Sinne des Erfinders auch nicht erwünscht. Dramatischer wird die Situation, wenn es bereits eine gesamtgesellschaftliche Debatte mit zwei Lagern zu einem Thema gibt: soll ich mich impfen lassen, wie wichtig nehme ich eine Pandemie, den Klimawandel, die Überbevölkerung, den Hunger in der Welt, Krieg oder Femizide? Mein Gefühl sagt mir etwas - aber was genau? Was sind überhaupt Gefühle und was spüre ich wo und warum? Wie kann ich wissen, dass wenn ich mit einer anderen Person spreche, diese dasselbe Gefühl meint wie ich? Angst, Zorn, Wut, Freude, Lust oder Trauer haben keinen eindeutigen Charakter.

Und was das schlimme ist: sie können sich sogar invertiert, also nicht wie vielleicht aus Filmen oder Büchern gewohnt, sondern genau umgekehrt, zeigen. Ob jemand wohlwollend ist, Rache übt oder eine Strategie verfolgt und dies kaschiert, erschwert es herauszufinden was die Motivation des Gegenübers ist und verwirrt das Gefühlserleben. Höflichkeit, Freundlichkeit, Diplomatie und Normen verwischen Spuren, um erkennen zu können mit was ich wirklich konfrontiert bin und ob mir jemand Gutes oder Böses will. Im Falle von psychischen Erkrankungen kann es schwer fallen eigene Gefühle erkennen zu können - aber auch die der anderen: Das Vertrauen ist gestört.

Doch Vertrauen ist ein wichtiger Grundpfeiler der menschlichen Entwicklung und in einem politischen Kontext bedeutet ein Mangel an Vertrauen Konflikt und darauffolgend häufig Chaos. Wie aber können philosophische Gedanken dazu beitragen, dass subjektive Gefühle erkannt und benannt werden können und genug Platz für Rationalität bleibt? Wie kann der Dialog über Gefühle dazu führen, dass sich Einzelne nicht allein gelassen fühlen mit ihren Entscheidungen und wie kann uns die Wissenschaft helfen, dass wir unseren Gefühlen nicht auf den Leim gehen? Wie können wir einen kühlen Kopf bewahren und nehmen wir unsere Gefühle zu ernst? Hans Groiss stellt Überlegungen an, warum wir einen konstruktiven und rationalen Umgang mit der Gefühlswelt brauchen.

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