Maria Katharina Moser

SIMON RAINSBOROUGH

Zwischenruf

Maria Katharina Moser von Tränen, Hilfe und Würde

Maria Katharina Moser ist Direktorin der humanitären NGO Diakonie

"Eine Stunde hatten wir, um zu packen", sagt Mikola. Er ist mit seinen zwei Töchtern und drei kleinen Enkelkindern aus Charkiw geflüchtet.

Wir sitzen im Wohnzimmer von Cristinas Haus am Rande von Radauti, einer Kleinstadt nahe der Grenze zwischen Rumänien und der Ukraine. Seit 20 Tagen ist Mikola jetzt hier, wartet auf ein Visum für Kanada, wo seine Söhne sind.
Mikola erzählt von den Bomben.
Was bedeutet Würde jetzt für ihn, frage ich. Da hellt sich Mikolas Miene plötzlich auf. Lächelnd schaut er zu Cristina. "Dass es jemanden gibt, dem es nicht egal ist, was mit dir passiert", sagt er.

Während wir reden, füllt sich das Wohnzimmer mit immer mehr Kindern und ihren Müttern. 22 Geflüchtete haben bei Cristina Unterschlupf gefunden. "Natürlich nehme ich Menschen auf", sagt sie, "ich habe Platz."

Essen für so viele Menschen, das kann sich Cristina allerdings nicht leisten. Hier hilft AIDRom, eine Partnerorganisation der Diakonie Katastrophenhilfe. Mitarbeiter/innen von AIDRom organisieren alles, was gebraucht wird - von Kartoffeln und Kaffee über Windeln bis hin zu Arztbesuchen. Auch Kosten für Strom und Heizung übernimmt die Hilfsorganisation, damit Cristina die Geflüchteten beherbergen kann.

Dana und Emanuel von AIDRom fahren mit mir zum Grenzübergang Siret. AIDRom und Freiwillige der Pfarrgemeinde waren die ersten, die vor Ort waren, um zu helfen. Mittlerweile ist die Nothilfe hier voll ausgebaut. Es gibt alles: medizinische Versorgung, Feldbetten zum Ausruhen, Busse für die Weiterfahrt. Zelt an Zelt haben sich die Hilfsorganisationen aufgestellt, bieten Tee und Essen an.

"Wir sind jetzt an einem Wendepunkt", erzählt Dana, "Lebensmittel, Hygieneprodukte und Decken reichen nicht mehr. Die Menschen müssen Entscheidungen über ihre Zukunft treffen, sie brauchen Beratung und Unterstützung bei der Integration." Dana zeigt mir Gutscheine: "Damit kaufen die Geflüchteten, was sie wollen. Selber zu entscheiden, was ich esse, das hat was mit Würde zu tun", erklärt sie.

Ihr Kollege, Emanuel, der auch rumänisch-orthodoxer Priester ist, nickt: "Die Geflüchteten sollen nicht das Gefühl haben, behandelt zu werden, sondern handeln zu können." Und ein spirituelles Angebot zu machen, sei ihm wichtig, fügt er hinzu. Auch das gehöre zur Würde . "Aber ich sage ihnen nicht, alles wird gut. Wir wissen nicht, ob alles gut wird."

Es geht weiter nach Radauti Prut, einem kleinem Grenzübergang im Dreiländereck Ukraine, Rumänien und Moldau. Hier ist nicht viel los. Nur Polizei, drei Feuerwehrmänner und ein Stand mit Tee, Kaffee, warmen Essen und Hygienepaketen, organisiert von AIDRom und der Pfarrgemeinde. Derzeit kämen nur 10 bis 20 Autos am Tag, erzählt Gemeindepfarrer Vater Constantinu. Aber man sei trotzdem 24 Stunden da. Jeder einzelne Flüchtling solle Unterstützung bekommen. Die Menschen seien orientierungslos, wenn sie diesseits der Grenze ankommen, wüssten nicht wohin. Unendlich viele Tränen fließen, erzählt er.

Was er tut in diesen verzweifelten Situationen, frage ich Vater Constantinu. Ernst schaut er mich an. Dann verzieht er sein Gesicht zu einem breiten Lächeln und macht einen Schritt auf mich zu. Wortlos umarmt er mich. Mit dieser Umarmung habe ich auch die Antwort auf meine Frage nach der Würde.

Service


Diakonie

Nachbar in Not

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Claude Debussy
Album: CLAUDE DEBUSSY: DAS GESAMTWERK FÜR KLAVIER / VOL.3
Titel: Nr.3 Serenade for the doll (00:02:36)
Anderssprachiger Titel: Serenade a la poupee
Titel: CHILDREN'S CORNER - Suite für Klavier
Anderssprachiger Titel: KINDERECKE
Solist/Solistin: Jacques Rouvier /Klavier, Steinway
Länge: 02:43 min
Label: Denon C 377372

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