Ein Kreuz vor blauem Himmel

AFP/ARIS MESSINIS

Gedanken für den Tag

Jan-Heiner Tück über Kultur der Vergebung

Crux - Über die Anstößigkeit des Kreuzes. Gedanken zur Karwoche
von Jan-Heiner Tück, katholischer Theologe

Im kirchlichen Kalender hat nun die Karwoche begonnen, die letzten Tage vor Ostern, in denen die Passionsgeschichte Jesu in Erinnerung gerufen wird. Das Finale des Leidens ist die Hinrichtung am Kreuz. Das Kreuz ist anstößig, erst recht, wenn es den Körper des Gekreuzigten zeigt. Kruzifixe stellen das Leiden eines Unschuldigen aus.

Nicht nur Agnostiker und bekennende Atheisten dürften damit ihre Schwierigkeiten haben. Auch für Juden und Muslime ist das Kreuz ein ambivalentes Symbol. Der alte und folgenschwere Vorwurf von christlicher Seite, die Juden seien Gottesmörder und hätten den Messias verkannt, hallt im kulturellen Gedächtnis bis heute nach. Für die islamische Gemeinschaft sind die Kreuzzüge des Mittelalters noch immer präsent. Eine Theologie, die sich selbst mit den Augen der anderen sieht, kann diese Vorbehalte nicht ignorieren, aber als Anstoß nehmen, den positiven Sinngehalt des Kreuzes zu erläutern.

Das Kreuz steht im Zentrum des Christentums, es hat auch die Kultur und Geschichte Österreichs Jahrhunderte lange geprägt. Allerdings ist Wachsamkeit geboten, wenn Politiker das Kreuz zum historischen Kultursymbol herunterstufen und die Anstößigkeit verharmlosen. Es ist und bleibt ein Skandal, das Sterben eines unschuldigen Menschen sichtbar zu machen und öffentlich den eigenen Glauben daran zu bekennen, dass der gekreuzigte Jude Jesus von Nazareth der Christus und Sohn Gottes ist.

Das Kreuz bringt ans Licht, was gerne in der Grauzone gehalten und verdrängt wird: das ungerechte Leiden der Opfer, die keine Stimme haben oder mundtot gemacht werden.
Das Kreuz deckt die lügnerischen Masken der Täter auf, die gerne so tun, als hätten ihre Taten gar nicht stattgefunden. Das Kreuz erinnert an die Verwundbarkeit und Fehlbarkeit menschlicher Existenz, es spiegelt die Erlösungsbedürftigkeit und Sterblichkeit, der niemand entrinnt, auch die Jungen, Fitten und Starken nicht. Gerade in Zeiten, in denen die Imperative der Leistung und Effizienzsteigerung in der Gesellschaft immer mehr um sich greifen, setzt das Kreuz einen Kontrapunkt. Es sensibilisiert für die, die auf der Strecke bleiben, die Armen und Schwachen. Es stärkt eine Kultur der Vergebung, die die anderen nicht auf ihre Fehler festlegt und ihnen eine Chance des Neuanfangs einräumt. In einer Gesellschaft oft gnadenloser Rechthaberei könnte der Einbruch der Gnade eine heilsame Unterbrechung sein.

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Friedrich Händel 1685 - 1759
Album: GEORG FRIEDRICH HÄNDEL: SÄMTLICHE FLÖTENSONATEN
* Andante - 2.Satz (00:03:15)
Titel: Sonate in e-Moll für Flöte und B.c. HWV 379, op.1 Nr.1 a
Flötensonate
Solist/Solistin: Lisa Beznosiuk
Solist/Solistin: Richard Tunnicliffe
Solist/Solistin: Paul Nicholson
Länge: 03:15 min
Label: hyperion CDA 67278

weiteren Inhalt einblenden