Zwischenruf

Von Jutta Henner - Soziales und Gerechtigkeit - Arbeit in der Bibel

Jutta Henner ist evangelische Theologin und Direktorin der Bibelgesellschaft

Heute ist der 1. Mai, der "Tag der Arbeit". Als Feiertag wird er insbesondere im sozialdemokratisch geprägten Wien besonders gewürdigt. Das Anliegen des Feiertags ist jedoch nicht neu, sondern Jahrtausende alt.
Bereits in der Bibel ist es von Bedeutung.

Mit Sonnenaufgang, so formuliert es der 104. Psalm, "macht sich der Mensch ans Werk und tut seine Arbeit bis zum Abend." (Ps 104, 23). Von Gott wird am Beginn der Bibel erzählt, dass er "arbeitete": Er schuf die Welt und alles Lebende. Arbeit schenkt trotz mancher Mühsal und Vergeblichkeit dem Leben Sinn und Würde. Arbeit dient dem eigenen Lebensunterhalt - und nur wer etwas hat, kann anderen in der Not helfen.

Eine rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit von Arbeitskräften ist aus biblischer Sicht unmenschlich. Sie gibt vielmehr einen heilsamen Rhythmus von Arbeit und Ruhe vor. Dem Vorbild der Erzählung von Gott, dem Schöpfer, der am siebenten Tag ruhte, folgt menschliche Arbeit. Und dieser Ruhetag gilt bedingungslos für alle, für Männer und Frauen, für Junge wie für Ältere, selbst für Sklavinnen und Sklaven, die es in biblischer Zeit gab, für Gastarbeitende - und selbst die in der Landwirtschaft eingesetzten Tiere! (2 Mos/Ex 20,9-11).

Die Bezahlung von Arbeitskräften unterliegt rechtlichen Vorschriften "Wer arbeitet, hat ein Anrecht auf seinen Lohn", heißt es (1 Tim 5,18). Schon die Bibel weiß: Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sitzen oft am kürzeren Hebel: Du sollst die Notlage eines Arbeiters, der arm und bedürftig ist, nicht ausnützen - egal, ob es einer deiner Brüder oder ein Fremder ist, der in einer Stadt deines Landes lebt. An dem Tag, an dem er für dich gearbeitet hat, zahle ihm seinen Lohn aus - ehe die Sonne untergeht! Denn er ist arm und darauf angewiesen, um zu überleben." So heißt es ganz explizit in der hebräischen Bibel (5 Mos/Dtn 24,14f.). Heute geht die Schere zwischen Armen und Reichen auf. In den Worten des Predigers Kohelet klingt das so: "Wer das Geld liebt, will mehr davon." (Qoh 5,9) Einen kleinen Trost liefert er nach: "'Süß ist der Schlaf des Arbeiters, ganz gleich, ob er wenig oder viel zu essen hat.' Wer aber reich ist und alles hat, dem raubt der Überfluss den Schlaf. (Qoh 5,11).

Die Bibel kennt neben Kritik an Ausbeutung Maßnahmen zur sozialen Absicherung für diejenigen, die nicht arbeiten können oder die trotz Arbeit nicht genug zum Leben haben. So sollen Weingärten, Ölbäume und Getreidefelder nicht ganz abgeerntet werden, damit auch Arme etwas zum Essen finden. Ein Geldbetrag soll für Notleidende regelmäßig beiseitegelegt werden. Schulden sind im siebenten Jahr zu erlassen. Als besonders armutsgefährdet galten Menschen ohne ausreichenden rechtlichen Schutz: Alleinerzieherinnen (in biblischer Zeit waren es Witwen) und Migranten...

Auch den Arbeitsstrich kennt die Bibel. Dort sind es die "Tagelöhner", die jeden Tag aufs Neue am Straßenrand und auf den Plätzen stehen in der Hoffnung, für einen einzigen Tag angestellt zu werden. Modern würde man von Ich-AGs sprechen. Jesus erzählt in einem Gleichnis (Mt 20,1-16) von einer neuen Ordnung: Ein Weinbergbesitzer habe allen Arbeitskräften, unabhängig von der Dauer ihrer Tätigkeit, denselben Lohn ausbezahlt. So war sichergestellt, dass alle, die im Weinberg gearbeitet haben, samt ihren Familien an diesem Tag etwas zu essen bekamen, was allemal gerecht ist - nicht nur im biblischen Sinn!

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: John Lennon
Album: MY WORKING CLASS HERO
Titel: Working Class Hero
Solist/Solistin: Iiro Rantala /Klavier
Länge: 04:47 min
Label: ACT 95972

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