Johanna Schwanberg

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Georges Braque

Zerlegte Wirklichkeit - Zum 140. Geburtstag von Georges Braque.
Von Johanna Schwanberg, Kunstwissenschafterin und Direktorin des Dom Museum Wien

Ockerfarbene würfelartige Objekte, die an Häuser erinnern. Dazwischen grüne belaubte Bäume - links im Vordergrund ein mächtiger graubrauner Baumstamm mit einem blätterlosen Geäst. Auffallend an dem Bild ist der unglaubliche, nahezu musikalische Rhythmus. "Häuser in L´Estaque" nennt sich das Ölgemälde, das der französische Maler Georges Braque rund um das Jahr 1908 gemalt hat. An sich kein ungewöhnliches Motiv, zeigt es doch ein Fischerdorf an einem Hang in der Nähe von Marseille. Aber die Art und Weise, wie vereinfacht diese Landschaft dargestellt ist, hat das Bild als eines der Hauptwerke der Moderne in die Kunstgeschichte eingehen lassen.

Georges Braque hat mit Bildern wie diesem vollkommen neue Wege in der Kunst eingeschlagen. Das war ein ungemein mutiger Schritt. Er selbst hat besonders das Prozessartige an der Entstehung eines Kunstwerks hervorgehoben, indem er sagte: "Es darf keine vorgefasste Meinung dabei sein, das Bild ist jedes Mal ein Abenteuer. Wenn ich die weiße Leinwand in Angriff nehme, weiß ich nie, was daraus entstehen kann. Das ist ein Risiko, das man auf sich nehmen muss."

Das Ungewisse interessiert mich berufsbedingt an künstlerischen Schaffensprozessen. Wenn Georges Braque diesen ratlosen Moment vor einer weißen Leinwand beschreibt, so charakterisiert er dabei aber nicht nur die Ungewissheit in Zusammenhang mit der Entstehung eines Kunstwerks. Vielmehr benennt er ein wesentliches Moment des Lebens überhaupt. Das sich Einlassen auf den Augenblick, ohne genau zu wissen, was kommen wird.

Gerade die letzten beiden Jahre waren aufgrund der Pandemie eine besondere Schulung im Umgang mit Ungewissheiten. Wie oft war bis zum letzten Tag unklar, ob eine Museumsveranstaltung überhaupt stattfinden wird oder ob ich meine Studierenden in der nächsten Woche wieder live sehen werde.

Meine Auseinandersetzung mit Avantgarde-Künstlern wie Braque zeigt mir, wie wichtig es ist, genaue Vorstellungen davon zu haben, was man im Leben will. Zugleich aber auch, wie notwendig es ist, offen zu bleiben, um jederzeit auf Unvorhergesehenes zu reagieren und eingefahrene Wege auch wieder zu verlassen. Nur so kann ich als Mensch stets lebendig bleiben.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Francis Poulenc 1899 - 1963
Komponist/Komponistin: Francis POULENC 7.1.1899 Paris - 30.1.1963 Paris
Album: FRANCIS POULENC - KAMMERMUSIK FÜR BLASINSTRUMENTE
* Divertissement - 2.Satz (00:04:25)
Titel: Sextett für Klavier, Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn
Solist/Solistin: Charles Wadsworth
Solist/Solistin: Paula Robison
Solist/Solistin: Leonnard Arner
Solist/Solistin: Gervase De Payer
Solist/Solistin: Loren Glickman
Solist/Solistin: Robert Routch
Länge: 04:25 min
Label: Erato ECD 88044

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