Wassertropfen aus einem Gartenschlauch

APA/DPA/FRANK RUMPENHORST

Medizin und Gesundheit

Stilles Leiden Inkontinenz

Ein tabuisiertes Problem, das viele betrifft

In Österreich sind rund eine Million Menschen von Harninkontinenz betroffen. Weitere 100.000 von Stuhlinkontinenz. Diese Erkrankungen sind verständlicherweise äußerst schambesetzt. Kein Wunder, kann es doch jederzeit und überall zu unwillkürlichem Harn- oder Stuhlverlust kommen. Die gute Nachricht: Es gibt eine Reihe effektiver Behandlungsmethoden.

Unterschiedliche Formen von Harninkontinenz

Am häufigsten diagnostiziert wird die so genannte Belastungsinkontinenz, früher auch als Stressinkontinenz bezeichnet. Dabei kann es aufgrund einer Verschlussschwäche der Harnröhre bei Druckerhöhung im Bauchraum - etwa beim Husten, Niesen, Lachen oder Sporteln - zum unwillkürlichen Urinabgang kommen. Die Verschlussschwäche der Harnröhre kann durch eine Bindegewebsschwäche mit Senkung der Beckenorgane und/oder durch eine Kraftminderung der Beckenbodenmuskulatur verursacht sein. Von der Belastungsinkontinenz sind häufig Frauen während der Schwangerschaft betroffen. Risiken sind überdies mehrere Geburten, Übergewicht und ein fortgeschrittenes Lebensalter. Bei Männern kann sich eine Belastungsinkontinenz nach einer Operation der Prostata entwickeln.

Wenn man ständig muss...

Die zweite Form der Harninkontinenz heißt Dranginkontinenz. Dabei zieht sich die Blasenmuskulatur unwillkürlich zusammen, was den Blaseninnendruck steigert. Die Folge: Plötzlich auftretender starker Harndrang mit Urinverlust. Personen mit einer überaktiven Blase müssen sehr häufig Harn lassen, nämlich mindestens acht Mal tagsüber, und auch nachts mehrmals. Von einer Dranginkontinenz sind Männer und Frauen etwa gleich häufig betroffen. Die Erkrankungszahlen steigen mit zunehmendem Alter. Ursache ist meistens ein überaktiver Blasenmuskel, für dessen "Fehlfunktion" jedoch nicht immer ein Grund gefunden werden kann. Auch Entzündungen der unteren Harnwege, Prostatavergrößerungen und neurologische Erkrankungen, wie z.B. Multiple Sklerose, können Auslöser einer Dranginkontinenz sein. Belastungs- und Dranginkontinenz können auch in Kombination auftreten.

Die Stuhlinkontinenz

Sie ist naturgemäß mit noch mehr Scham behaftet. Vor allem ältere Menschen sind davon betroffen. Ursachen für den Verlust des Darminhalts sind unter anderem Schließmuskelfunktionsstörungen, sowie eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur. Diese kann durch eine Störung der Nervenversorgung aufgrund von neurologischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Wirbelsäulenproblemen bedingt sein. Bei bestehender Beckenbodenschwäche können auch Durchfallerkrankungen bzw. Medikamente, die zu Durchfällen führen, eine Stuhlinkontinenz auslösen.

Die Therapie der Harninkontinenz

Wie man eine Harninkontinenz behandelt, ist individuell verschieden und hängt natürlich auch von der Art der Störung ab. Die zwei wesentlichsten Elemente bei der Belastungsinkontinenz sind Gewichtsreduktion und Beckenbodentraining. Bei urologisch speziell geschulten PhysiotherapeutInnen kann man die Übungen lernen und sollte sie dann mehrmals täglich durchführen. Führen die konservativen Methoden nicht zum Erfolg, gibt es mehrere operative Eingriffe, die in Erwägung gezogen werden können.
Bei einer Schlingen-OP zum Beispiel wird im Bereich der Harnröhre ein Band angebracht. Bei Belastung knickt die Harnröhre ab und so wird der Urinabgang verhindert.
Zur Behandlung der Dranginkontinenz gibt es einige gut wirksame Medikamente, nämlich Antimuskarinika, Beta-3-Rezeptor-Agonisten und Botox. Wirksam ist ebenfalls Beckenbodentraining, darüber hinaus kann man es aber auch mit Biofeedback und Verhaltenstherapie versuchen. Dazu zählt beispielsweise das Führen eines Miktionstagebuches, mit dem Ziel, die Intervalle zwischen den Blasenentleerungen zu verlängern.

Was hilft bei Stuhlinkontinenz?

Auch bei dieser Form der Inkontinenz ist in vielen Fällen ein regelmäßiges Beckenbodentraining ausreichend. Zusätzlich wird mit diätetischen Maßnahmen und mit Medikamenten versucht, den Stuhl einzudicken.
Operiert wird nur bei schweren Formen. Eine neue operative Möglichkeit ist der "Sphinkeeper". Dabei werden kleinste Prothesen rund um den Analkanal implantiert, wodurch ein künstlicher Schließmuskel entsteht.
Die Symptome können aber auch durch die elektrische Stimulation der Beckenbodennerven gelindert werden (sakrale Nervenstimulation).

Moderation: Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos
Sendungsvorbereitung: Dr. Christoph Leprich
Redaktion: Dr. Christoph Leprich, Lydia Sprinzl, MA

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Service

Zu Gast im Funkhaus Wien:

Dr.in Michaela Lechner
Fachärztin für Chirurgie, Spezialgebiet Proktologie
Vorstandsmitglied der Medizinischen Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ)
Oberärztin am Krankenhaus Göttlicher Heiland
Dornbacher Str. 20-28
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Tel.: 01/40088/9300
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Ao.Univ.-Prof. Dr. Engelbert Hanzal
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
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Univ. Prof. Dr. Hans Christoph Klingler
Facharzt für Urologie
Vorstandsmitglied der Medizinischen Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ)
Vorstand Österreichische Gesellschaft für Urologie und Andrologie
Leiter Urologische Abteilung Klinik Ottakring
Montleartstraße 37
1160 Wien
Tel.: +43 1 49150 4808
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Schwache Blase, träger Darm? Alltag mit Inkontinenz: Der Hilfswerk-Ratgeber
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