Ein Mann sitzt alleine auf einer Bank im Park

DPA/MAJA HITIJ

Medizin und Gesundheit

Nach der Krise ist vor der Krise - Life-Hacks für unruhige Zeiten

Die sommerlichen, warmen Tage bieten vielen Menschen eine kurze Verschnaufpause vom Krisenmodus: Der Urlaub (so leistbar) eine willkommene Gelegenheit, die Sorgen zu Hause zu lassen. Denn gefühlt geht eine Krise nahtlos in die nächste über. Haben wir gerade erst, mehr schlecht als recht, gelernt, mit der Corona-Pandemie zu leben, soll es im Herbst diesbezüglich wieder "kritisch" werden, was auch immer das bedeuten mag.
Mehr Sorgen bereitet so manchen jedoch die Energiekrise und die Frage, womit man im kommenden Winter heizen soll und ob man sich die warme Stube überhaupt noch leisten kann, ohne auf das Familiensilber zurückgreifen zu müssen. Die Inflation galoppiert, das Ersparte schrumpft und die Aussichten sind trüb. An erster Stelle verursacht der Krieg in der Ukraine schlaflose Nächte. Ganz zu schweigen vom Klimawandel, dessen Konsequenzen bereits spürbar werden.

Körper im Krisenmodus

Gründe genug also, um mit Panik oder zumindest einer gehörigen Portion Pessimismus in die Zukunft zu blicken. Laut einer kürzlich veröffentlichten Gallup-Umfrage befürchten mehr als 80 Prozent der Menschen in Österreich eine zunehmende Teuerung, Energieknappheit und wirtschaftliche Folgen des Krieges. In Krisenzeiten neigen Menschen dazu, Ängste zu entwickeln, unabhängig davon, ob es sich um globale oder persönliche Krisen handelt.
"Wir haben in einer Langzeitstudie seit April 2020 einen alarmierenden Anstieg von Anpassungsstörungen, Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen beobachtet", erklärt die Psychologin Brigitte Lueger-Schuster. Während manche Panik und Stress bekommen, in eine Starre der Hilflosigkeit verfallen, resignieren oder mit Zynismus reagieren, stellen sich andere rasch auf die neue Situation ein. Diese Resilienz-Fähigkeit sei, so Brigitte Lueger-Schuster durchaus erlernbar.

Angst ist ein schlechter Ratgeber

Dabei kann es durchaus auch helfen, sich auf potentielle Krisenszenarien vorzubereiten, um das subjektive Gefühl von Kontrolle zu erlangen. Schließlich sei generell in Zukunft auch in Europa mit mehr Katastrophen- und Schadensereignissen zu rechnen, wie der Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes, Gerry Foitik, bereits vor einem Jahr bekanntgab. Zwar gebe es entsprechende Notfallpläne für derartige Fälle, es müssen jedoch auch die Haushalte auf solche Situationen vorbereitet sein.
Foitik mahnt dabei jedoch auch zur Besonnenheit: "Bei Corona wurde, vor allem anfangs, vieles mit Mitteln der Angst kommuniziert. Angst ist jedoch ein schlechter Ratgeber". Der Blick müsse auf die Lösung gerichtet sein, nicht auf das Problem.

Krisenfest durch "Life-Hacks"

Ängste vor Katastrophen lassen sich zwar nicht vermeiden, jedoch deutlich reduzieren, wenn man sich auf potentiell beängstigende Szenarien vorbereitet, ist Gerry Foitik überzeugt. "Es ist aus verschiedenen Gründen klug, den eigenen Haushalt krisenfest zu machen". So sollten sich alleinstehende Personen mit Nachbarn, Freunden oder auch Betreuungseinrichtungen vernetzen, um für den Krisenfall gerüstet zu sein. Sich zuvor die wesentlichen Fragen zu stellen und Szenarien durchzuspielen, wie man agieren könnte, wenn die Versorgung knapp wird, man eine Zeit lang nicht mehr heizen kann oder der Strom ausfällt. Was tun ohne Handy (und all die darin gespeicherte Telefonnummern), Internet, Bankomaten oder Beleuchtung? Angesichts der derzeitigen Entwicklung seien derartige Szenarien alles andere als unrealistisch, so Foitik. Es gehe nicht darum, hier Ängste zu schüren, sondern genau das Gegenteil: Mit einer konstruktiven Auseinandersetzung die Ängste zu reduzieren.

Arme Familen und vor allem die Kinder schützen

Dazu unser Sendungsgast Erich Fenninger, Geschäftsführer der Volkshilfe Österreich: "Aufgrund der Teuerung droht ein dramatischer Anstieg der Armut in Österreich. Die Politik muss daher umfassende Maßnahmen setzen, um Menschen aus der Existenznot zu holen und sozial besser abzusichern. Dazu zählen unter anderem: eine kostenlose Energieversorgung für Armutsbetroffene, die Erhöhung der Wohnbeihilfe, die Rücknahme der Mieterhöhungen und Direktzahlungen gegen hohe Lebensmittelpreise."

Dr. Ronny Tekal spricht mit seinen Gästen in der aktuellen Ausgabe des "Radiodoktors" über die Kraft der Resilienz und handfeste Möglichkeiten, sich auf Krisen jedweder Art vorbereiten zu können. Damit man diesen Sommer lediglich die Füße und nicht auch den Kopf in den Sand stecken muss.

Service

Studiogast:
Univ.-Prof.in Dr.in Brigitte Lueger-Schuster
Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin
Leiterin der Arbeitsgruppe Psychotraumatologie, Institut für Klinische und Gesundheitspsychologie
Universität Wien
Renngasse 6-8/Wächtergasse 1
A-1010 Wien
Tel: +43/1/4277 47221
E-Mail
Homepage

Gäste am Telefon:
Mag. Gerry Foitik
Bundesrettungskommandant Österreichisches Rotes Kreuz
Wiedner Hauptstraße 32
A-1041 Wien
Tel: +43/1/589 00
E-Mail
Homepage

Direktor Mag. (FH) Erich Fenninger, DSA
Geschäftsführer Volkshilfe Österreich
Tel.: +43/1/402 62 09
E-Mail
Homepage

Links:
Forderungen der Volkshilfe gegen Anstieg der Armut
Zivilschutzverband Österreich
Blackout und dann.? (Öst. Bundesheer)
Teuerung und Unterstützung bei geringem Einkommen (Diakonie, 2022)

Armutskonferenz zu Teuerungen (Armutskonferenz, 2022)

Krisenintervention bei psychosozialen Krisen (Gesundheitsministerium)
Aaron Antonovsky Begründer der Salutogenese

Was ist Salutogenese?

Alles über Resilienz
Strategien aus der Resilienzforschung (Universität Wien, alumni, 2021)
Ukraine-Krieg: Was hilft gegen die Angst? (NDR, 2022)
Glücksmomente lassen sich speichern -Strategien gegen Corona-Frust (ARD, 2021)
Die Phasen der Krisenbewältigung (Resilienz-Akademie, 2021)

Bücher:

Gerald Hüther
Wege aus der Angst: Über die Kunst, die Unvorhersehbarkeit des Lebens anzunehmen
Vandenhoeck & Ruprecht 2020

Mark Hansen, Andreas Höss
Das kleine Buch vom Überleben: Der ultimative Überlebensguide für die grossen Krisen der nächsten Jahre
Wulfens 2021

Reiner Dittrich
Stromausfall: Was tun, wenn nichts mehr geht?
Ökobuch 2021

Christina Berndt
Resilienz - Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft
Dtv Verlag 2015

Sendereihe