Eine musikalische Entdeckung voller Charme und Ideen

20. Juli 2022, 11:30

Die Werke von Samuel Coleridge-Taylor wurden lange Zeit wenig aufgeführt - jetzt stehen sie bei vielen Musiker:innen im Zentrum des Interesses. So hat das Kaleidoscope Chamber Collective frühe Kammermusik des britischen Komponisten eingespielt, die erst in den frühen 2000er Jahren gedruckt worden ist. Werke des 18-jährigen, entstanden in der Zeit um 1893, als der Sohn eines Medizinstudenten aus Sierra Leone und einer Engländerin in London am Royal College of Music studiert hat. Eine Entdeckung. Diese Kammermusik orientiert sich an Brahms, Schumann und Dvorak, sprudelt aber nur so vor Ideen, schwungvoll interpretiert vom Kaleidoscope Chamber Collective.

Werke von Coleridge-Taylor sind auch beim heurigen Lucerne Festival zu hören, wo man sich ab 8. August 2022 in konzentrierter Form den Kompositionen von People of Color widmet. Festival-Intendant Michael Haefliger spricht im Interview über das Festivalmotto "Diversity".

Sanftmut, Humor und Bescheidenheit - so wurde seine Persönlichkeit von Zeitgenossen beschrieben; Samuel Coleridge-Taylor ist 1912 an Lungenentzündung gestorben, nur 37 Jahre alt. In dieser kurzen Zeit hat er beachtliche musikalische Erfolge erzielt.
Das war definitiv nicht vorgezeichnet: Sein Vater war ein Medizinstudent aus Sierra Leone; aus der unehelichen Beziehung mit einer Engländerin ging Samuel hervor. Sein leiblicher Vater ist später zu seiner relativ wohlhabenden Familie in Afrika zurückgekehrt, aller Wahrscheinlichkeit nach ohne seinen Sohn je gesehen zu haben.

Coleridge-Taylor ist in London aufgewachsen, in einfachen Verhältnissen, das musikalische Talent wurde von seiner Mutter und seinem Stiefvater aber erkannt und gefördert. Schließlich hat er ein Violinstudium am Royal College of Music begonnen.

Coleridge-Taylor ist auf jeden Fall aufgefallen, am Weg ins College, den Geigenkoffer unterm Arm, hat er während der Bahnfahrten regelmäßig rassistischen Hohn über sich ergehen lassen müssen.

Sein Lehrer Charles Villiers Stanford hat sein Kompositionstalent erkannt, er wurde überredet, von der Violine ganz zum Komponieren zu wechseln und hatte frühe Erfolge, schon als 16-jähriger hat Coleridge-Taylor eigene Werke an Verlage verkauft.

Vorurteile haben ihn aber begleitet: der damalige College-Direktor Hubert Parry meinte nach dem Tod des Komponisten: "Wie seine Halbbrüder von primitiver Rasse liebte er viel Schall, viel Farbe, einfache und klare Rhythmen und vor allem viel Melodie."

Nüchtern betrachtet ist sein Stil vom deutsch-romantischen Repertoire geleitet: Sein Lehrer am Royal College of Music war Brahmsianer, Coleridge-Taylor wurde aber auch ganz offensichtlich von Dvorak beeinflusst. Abzulesen etwa am Klaviertrio des Kompositionsstudenten - der dritte Satz ist bezeichnet mit "Con Furiant", Bezug genommen wird hier auf den dynamischen tschechischen Tanz.

In den USA hatten seine Werke beachtlichen Erfolg, drei Mal reiste er in den Nullerjahren des 20. Jahrhunderts in die USA, drei öffentliche Schulen wurden dort nach Coleridge-Taylor benannt. Sein größter und nachhaltigster Erfolg war sicher seine Kantate "Hiawatha's Wedding Feast", die oft aufgeführt worden ist.

Ins Standard-Repertoire hat es seine Musik aber auch nicht wirklich geschafft, in den letzten Jahren haben sich junge Musiker:innen aber vermehrt um sein Schaffen bemüht.

Service

Aktuelle Aufnahme:
Samuel Coleridge-Taylor, Nonet / Piano Trio / Piano Quintet, Kaleidoscope Chamber Collective, Chandos


Kaleidoscope Chamber Collective
Lucerne Festival

Sendereihe

• Des Cis

Gestaltung

• Rainer Elstner