Zwischenruf

Geschichten zur Zeit - von Martin Jäggle über Christophorus

Eine Legende und ihre Bedeutung - über Christophorus von Martin Jäggle, er ist römisch-katholischer Theologe und lehrt am Institut für Praktische Theologie an der Universität Wien

Heute haben alle, die den Namen Christoph tragen, Namenstag. Es ist das Fest des heiligen Christophorus, das mit viel Brauchtum verbunden ist. Als einer der vierzehn Nothelfer und Patron der Reisenden hat er im 20. Jahrhundert mit dem Autoboom neu Karriere gemacht. So gibt es seit fast hundert Jahren vielerorts Fahrzeugsegnungen und in so manchem Auto ist eine Christophorus-Plakette angebracht in der Hoffnung auf Schutz vor jeglichem Unheil, besonders vor Unfällen.

Da lohnt vielleicht ein Blick in die Legende, die von diesem Heiligen erzählt: Christophorus ist von gewaltiger Größe. Auf der Suche nach dem Herrn der Welt kommt er zu einem Einsiedler. Der verlangt von ihm: "Faste viel!" Christophorus antwortet: "Zum Fasten taug ich nicht." Da schlägt der Einsiedler vor: "Bete viel!" Christophorus antwortet: "Ich weiß nicht, was das ist. Beten kann ich nicht!" "Dann", sagt der Einsiedler, "geh zum Fluss, wo so viele Menschen ums Leben kommen, und trage die Menschen hinüber."

Diese Aufgabe entspricht ihm, sie wird seinen Fähigkeiten gerecht. So geht Christophorus hinunter zum Fluss, baut sich eine Hütte und trägt die Menschen, die kommen, ans andere Ufer. In dieser seiner tragenden Aufgabe erkennt er eines Tages den Sinn seines Lebens, das was sein Leben trägt. So kann die Legende vom Christophorus anregen, sich gerade jener Aufgabe zu stellen, die den eigenen besonderen Möglichkeiten entspricht, auch wenn sie gar nicht so fromm zu sein scheint.

In Österreich gehört zum Christophorus-Sonntag die sogenannte Christophorus-Aktion. Sie fordert alle, die Auto fahren, auf, aus Dankbarkeit dafür, im vergangenen Jahr das Verkehrsgeschehen ohne Unfall überstanden zu haben, für jeden unfallfrei gefahren Kilometer ein Zehntel Cent zu spenden. Der Spendenerlös wird von der katholischen Kirche in Afrika, Asien und Lateinamerika für die Anschaffung von Fahrzeugen aller Art verwendet. Das sind natürlich nicht immer Autos, sondern auch Motorräder und Fahrräder oder Rollstühle und Boote, je nach dem lokalen Bedarf und lokalen Möglichkeiten.

Das Ziel dabei ist jeweils, die Mobilität von besonders benachteiligten Regionen oder Personengruppen zu fördern. Diesem Ziel dienen ebenso Schulbusse, Rikschas und sogar Lasttiere wie Maultiere oder Esel. So werden Kommunion und Medikamente zu Kranken gebracht, Priester in unwegsamen Gebieten zu ihren Gemeinden, Ärztinnen in entlegene Gesundheitsstationen und so weiter.

Sollte man nicht inmitten der Klimakrise die Christophorus-Aktion weiterentwickeln? Laut Umweltbundesamt zählt der Straßenverkehr und hier besonders der PKW-Verkehr zu den größten Klimatreibern in Österreich. Bisher steht bei der Christophorus-Aktion der Dank im Vordergrund, beim Autofahren von Unfällen verschont geblieben zu sein. In Zukunft könnte der Dank im Vordergrund stehen, weniger Auto zu fahren oder vielleicht sogar nicht mehr Autofahren zu müssen, weil es andere Möglichkeiten gibt oder man andere Möglichkeiten entdeckt hat.
So gesehen wäre jetzt die Aufforderung zeitgemäß, als Dank für jeden nicht oder besser für jeden nicht mehr mit dem Auto gefahrenen Kilometer ein Zehntel Cent zu spenden. Die Freude darüber wäre bei allen Beteiligten groß. So mancher Esel mehr könnte der Mobilität besonders Benachteiligter dienen.

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Todd Malshikiza
Komponist/Komponistin: Dollar Brand
* Sad times, bad times/instr.
Solist/Solistin: Dollar Brand /Piano
Länge: 04:57 min
Label: West Wind 2029

weiteren Inhalt einblenden