AFP/AXEL SCHMIDT
Radiokolleg - Sexismus im Pop
Machotum und Widerstand (4)
Gestaltung: Alexandra Augustin, Thomas Mießgang
4. August 2022, 09:45
Wenn man Sexismus in der Rockmusik finden will, braucht man nicht lange zu suchen. Zum Beispiel der Song "Whole Lotta Love" von Led Zeppelin: "I'm gonna give you every inch of my love" heisst es da im Text zum voranpeitschenden Gitarrenriff. Und diverse "Ahs" und "Ohs" unterstreichen, dass Sänger Robert Plant sich in eine Penetrationsphantasie hineinhalluziniert, in der auf jeden Fall er die Oberhand hat. Man hat sich angewöhnt, die aus solchen Blaupausen hervorgegangene Musik "Cock Rock" zu nennen.
Männerphantasien beflügelten jahrzehntelang den lyrischen Gehalt der Texte und die performativen Posen auf der Bühne, wo die E-Gitarre häufig zum prothetischen Phallus wurde. In ihrem Standardwerk "Sex Revolts" aus den 1990er-Jahren führen die Autoren Joy Press und Simon Reynolds diese Attitüde auf ein männlich geprägtes Rebellentum zurück, das einen nomadischen Lebensstil mit Aggressivität und Abenteuerlust paart und gegen ein vermeintlich weibliches Prinzip der Ruhe und Häuslichkeit gerichtet ist.
Doch auch in anderen Genres der Popmusik, im speziellen im Hip Hop, wo gerne halbnackte Frauen submissiv um heteronormativ auftrumpfende Rapper herumtänzeln, ist ein derbe ausgespieltes Machotum Trumpf. So heisst es in einem besonders subtilen deutschen Rap-Text: "Wieso hab ich mich so verliebt/ In eine Frau, die statt zu putzen auf dem Sofa liegt/ In eine Bitch, die nicht kochen kann/Ich verhunger wochenlang."
Erst in jüngerer Zeit gibt es Neues aus dem festgeschriebenen steinzeitlichen Geschlechterverhältnis in Rock und Pop zu vermelden. Mit Ausnahme von Artists der 1970er- und 1980er-Jahre wie den Runaways mit Joan Jett, Suzi Quatro, Patti Smith oder den Slits waren die weiblichen Vorbilder sowohl im Rock/Pop wie auch im alternativen Underground bis in die aktuelle Popzeitrechnung hinein rar gesät. Kurt Cobain von Nirvana ist der erste globale Megastar, der eine krachend harte Musik mit einem stark feminisierten Selbstentwurf kombiniert und auf der Bühne sogar Frauenkleider trägt. Seine beste Freundin war die feministische Künstlerin und Musikerin Kathleen Hanna, die Anfang der 1990er-Jahre die wegweisende Riot Grrrl-Gruppe Bikini Kill gründete. Bei ihren Konzerten fliegen regelmäßig Flaschen und Steine auf die Bühne - geworfen vom größtenteils männlichen Punk-Publikum. Jedes ihrer Konzerte beginnt daraufhin mit dem Aufruf: "Girls to the front!" - Frauen in die erste Reihe! Das gleichnamige Buch von Sara Marcus dokumentiert diese Zeit. Es entstehen Bands wie Sleater-Kinney, L7, Le Tigre, die nachfolgende Generationen bis hin zu Pussy Riot prägen und auch im Mainstream erfolgreich sind.
Die subversive, feministische Kraft ist aktuell vor allem im Rap und Hip Hop spürbar, der um Ecken diverser und queerer daherkommt, als in vorherigen Generationen. Wie offen und progressive ist die Szene heute? Und wie sehr ist sie immer noch an traditionellen Sexismus und stereotype Rollenbilder geknüpft?
Service
Kostenfreie Podcasts:
Radiokolleg - XML
Radiokolleg - iTunes
Sendereihe
Gestaltung
- Alexandra Augustin
- Thomas Mießgang
Playlist
Komponist/Komponistin: Paul Hartmut Würdig
Titel: Aggro Ansage Nummer 2
Ausführende: Sido
Ausführende: Bushido
Ausführende: B-Tight
Label: Aggro Berlin
Komponist/Komponistin: Paul Hartmut Würdig
Titel: Arschficksong
Solist/Solistin: Sido
Label: Aggro Berlin
Komponist/Komponistin: Marten Laciny
Titel: Bengalische Tiger
Solist/Solistin: Marteria
Label: Four Music
Komponist/Komponistin: Yasmin Hafedh
Titel: Die Gretchenfrage
Solist/Solistin: Yasmo
Label: Ink Music
Komponist/Komponistin: Yasmin Hafedh
Titel: Girls Just Wanna Have Fun
Ausführende: Yasmo & die Klangkantine
Label: Ink Music
Komponist/Komponistin: Enes Özmen
Komponist/Komponistin: Esra Özmen
Titel: Der Tschusch ist da
Ausführende: EsRAP
Label: Springstoff
Komponist/Komponistin: Fritz Brügel
Titel: Die Arbeiter von Wien
Ausführende: EsRAP
Ausführende: Mira Lu Kovcs