Ein Stapel Zeitungen

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

doublecheck - das Ö1 Medienmagazin

Das Ibiza über dem Brenner

Moderation und Gestaltung: Rosanna Atzara und Stefan Kappacher

"In anderen Ländern halten sich Parteien Zeitungen, in Südtirol hält sich eine Zeitung eine Partei." Ein legendärer Spruch, der dem "Dolomiten"-Chefredakteur Toni Ebner zugeschrieben wird, der mit der Zeitung sein eigenes Blatt und mit der Partei die Südtiroler Volkspartei gemeint haben soll. Diese SVP ist im Frühjahr von einer Affäre erschüttert worden, die auf Abhörprotokollen basiert und die Verschwörung einer Clique um Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder gegen Amtsinhaber Arno Kompatscher dokumentiert. Diese Affäre - Aufdecker Christoph Franceschini spricht von einem "Ibiza in den Alpen" - und die Berichterstattung darüber haben ein Schlaglicht auf die extreme Medienkonzentration in Südtirol geworfen. Die Athesia Gruppe, zu der die "Dolomiten" gehören, bildet ein regionales Monopol der Sonderklasse. Experten sehen Parallelen zu Vorarlberg, das sich von der Inseratenaffäre der ÖVP noch nicht erholt hat, die #doublecheck Ende 2021 ins Rollen brachte.


Wenn Verschweigen nicht mehr geht

Arno Kompatscher hat als Landeshauptmann die alten Spielregeln nicht mehr befolgt, die der Politikwissenschafter Günther Pallaver als "Bittgang-Demokratie" bezeichnet. Man ging in die Sprechstunde des Landeshauptmanns, trug sein Anliegen vor und bekam etwas - nach Gutdünken und Ermessen. Kompatscher beendete diese Umgehung der legalen Ordnung, wie es Pallaver ausdrückt. Und damit hat er sich nicht nur in der Partei Feinde geschaffen, sondern sich auch beim Medienhaus Athesia unbeliebt gemacht. In der Berichterstattung fällt das durchgehend auf, die Verschwörung der Kompatscher-Gegner in der SVP hätte das Blatt am liebsten verschwiegen. Als das nicht funktionierte, wurde abgelenkt und die Frage thematisiert, wer die Abhörprotokolle denn geleakt haben könnte. Ein Reflex, den man auch beim Ibiza-Skandal in Österreich beobachten konnte.


Keine Medienpolitik gegen Monopolisten

Die Athesia hat in Südtirol und im Trentino eine Marktdominanz von 80 Prozent, Gesetze zur Begrenzung von Medienkartellen gibt es in Italien seit Berlusconi nicht mehr. Die "Dolomiten" kassieren überdies eine Förderung von 6,3 Millionen Euro aus dem Topf für Minderheiten-Medien. Ein Versuch auf politischer Ebene, diese Gelder an eine maximale Marktbeherrschung von 50 Prozent zu knüpfen, also im konkreten Fall zu streichen - dieser Versuch ist auch dank der guten politischen Vernetzung von Athesia im Sand verlaufen. Die Förderung hilft auf der anderen Seite kleinen Medien wie der "Neuen Südtiroler Tageszeitung", der Wochenzeitung "ff" und dem Portal salto.bz, die einen engagierten publizistischen Gegenpol zum Koloss Athesia bilden.


Und wo bleibt die große Reform in Österreich?

Ein neues ORF-Gesetz, eine Reform der Inseratenvergabe und eine komplette Neuaufstellung des Pressefördersystems - der Berg an Aufgaben für Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) ist gewaltig. Durch den VfGH-Entscheid zur GIS-Streaming-Lücke mitten im Sommer ist der Druck, bald einen großen Wurf zu liefern, noch einmal gewachsen. Kommt jetzt eine Haushaltsabgabe statt des GIS-Beitrags, und was bekommen die Privaten Medien im Gegenzug? Es sei nichts Neues, dass die Justiz die Medienpolitik in Zugzwang bringt, sagt der Salzburger Medienwissenschafter Josef Trappel. Trappel war einer der Experten, die von Raab im Frühjahr zu Gesprächen eingeladen wurden. In #doublecheck sprechen weitere Teilnehmer darüber, wie diese "Medienkonferenzen" abgelaufen sind, und über ihre Sorge, von der Ministerin als Feigenblatt für Entscheidungen missbraucht zu werden, die unter großem Lobby-Druck hinter verschlossenen Türen vorbereitet werden.

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