Erika Pluhar

APA/HERBERT NEUBAUER

55 Jahre Ö1 - 55 Jahre Literatur aus Österreich

Erika Pluhar liest Marlen Haushofer

"Wir töten Stella". Von Marlen Haushofer. Ausschnitt aus "Erika Pluhar liest Marlen Haushofer" (ORF-CD 1998)

Die neunzehnjährige Stella kommt bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Was auf den ersten Blick wie ein tragischer Unfall aussieht, entpuppt sich im Laufe der Geschichte als "Mord". Denn Stella, die eine Affäre mit einem verheirateten Mann hatte, starb, weil sie es nicht ertragen konnte, nach "kurzer Zeit abgelegt zu werden, wie ein unmodern gewordenes Kleidungsstück". Und die betrogene Ehefrau - eine Freundin von Stellas Mutter - hat alles gesehen und nichts verhindert.

Mit ihrem Endzeit-Roman "Die Wand" hat die österreichische Autorin Marlen Haushofer Anfang der 60er-Jahre ein Meisterwerk der feministischen Moderne vorgelegt. Die 1920 im oberösterreichischen Frauenstein geborene Autorin beschäftigt sich in ihren Büchern mit der existentiellen Ausgesetztheit des Menschen und der Beschränkung weiblicher Individualisierungschancen im Patriarchat. Der Verlust der Lebendigkeit, kühle Bürgerlichkeit und programmierte Langweile sind prägnante Themen, die immer wieder kehren. Haushofer selbst - viele Jahre als Zahnarztgattin in Steyr lebend - sah sich als Spezialistin für die Doppelbödigkeiten der bürgerlichen Existenz: "Gerade diese Mischung von Dämonie und Idylle bereitet mir das größte Unbehagen und fasziniert mich zugleich."

Obwohl sie unter anderem 1968 mit dem Österreichischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet worden war, blieb Marlen Haushofer der ganz große Durchbruch zu Lebzeiten versagt. Erst nach ihrem frühen Tod im Jahr 1970 wurde die Bedeutung ihrer Romane und Erzählungen im Zuge der Frauenbewegung und Frauenliteraturforschung erkannt.

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