Ein Blatt mit Wassertropfen

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Gedanken für den Tag

Martin Schenk über das Vertrauen in die Welt rundum

"Vom Alltag der Weltbeziehungen". Martin Schenk ist Psychologe und Sozialexperte der Diakonie

Sie klopften an 5000 Türen. Und fragten: Was läuft gut, was schlecht in Ihrem Wohnort? Was würden Sie gerne ändern? Die Gespräche fanden in jeweils drei Regionen in Ost- und Westdeutschland sowie Nord- und Südfrankreich statt.

Dabei beantworteten die Leute allgemeine Fragen zu ihrer persönlichen Lage, sowie zur Sicht auf ihr Lebensumfeld und das Land. Alle Befragten haben sehr offenherzig und lange erzählt. Der Redebedarf war groß; die Erfahrung war gut, endlich wahrgenommen zu werden. Das, was alle beschäftigte, das, was alle zur Sprache brachten, das, was in jedem Gespräch sich in der Tiefe äußerte, war: Wir sind hier verlassen worden. Ich bin verlassen. Vergessen und abgelegt. Einsam und isoliert. Der letzte Greißler hat geschlossen, der letzte Bus ist eingestellt, der letzte Job ist abgewandert. Die Welt gibt es da draußen, aber ich bin nicht mehr mittendrin. Die Welt mag tönend, farbig, warm und frisch sein. Meine Welt ist es nicht.

Jeder Zehnte in Österreich hat niemanden, auf den er zählen kann. Dass also niemand da ist, wenn man's braucht. Dass die Welt fremd geworden ist zu einem selbst. Wer sich von allen guten Geistern verlassen fühlt, verliert auch das Vertrauen in die Welt rundum, in seine Umgebung, in die Gesellschaft, in die Demokratie. Wer vertrauen kann, fühlt sich der Welt zugewandt. "Den meisten kann man vertrauen. Stimmt das? Am wenigsten "Ja" darauf sagen können diejenigen, die schlechte Jobs haben, die unter der Armutsgrenze leben, die am sozialen Rand stehen.

Unfreiwillige Einsamkeit macht krank und belastet unseren Alltag. Wir sprechen hier nicht vom selbst gewählten Alleinsein, das uns im Fasten oder Schweigen Kraft gibt. Wenn die Freiheit fehlt, über Nähe und Distanz selbst entscheiden zu können, dann kommt es zu Problemen. Sei es, dass zu viel Nähe in beengten und überbelegten Wohnungen die Autonomie verletzt, oder zu wenig an Nähe Menschen sozial isoliert. Einsamkeit bedeutet, sich von der Welt getrennt fühlen. Was tun? Vieles. Wie beginnen? An 5000 Türen klopfen.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Elliot Goldenthal geb.1954
Gesamttitel: THE GOOD THIEF / Original Filmmusik
Titel: Waltz for Anna/instr.
Untertitel: ORIGINAL SOUNDTRACK & MUSIC FROM THE FILM
Orchester: The Irish Film Orchestra, Dublin
Orchester: London Metropolitan Film Orchestra
Leitung: Dirk Brosse
Länge: 01:39 min
Label: Island/Universal 0688842

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