APA/DIETMAR STIPLOVSEK
Passagen
Reinhard Haller über den Hass und das Böse
Johannes Kaup in der Serie "Im Zeit-Raum" im Gespräch mit dem Psychiater Reinhard Haller. Mitschnitt aus dem Großen Sendesaal des RadioKulturhauses vom 12. September 2022
19. September 2022, 16:05
Es ist das wohl kälteste und bösartigste aller Gefühle: der Hass. Der Hass ist mehr als Antipathie und Abneigung. Er ist die destruktivste Form der Verachtung, die auf Zerstörung des anderen ausgerichtet ist. Hass in seiner Extremform sehen wir gerade im Angriffskrieg auf die Ukraine oder aber auch in zahlreichen Verbrechen in unserer Gesellschaft. In zwischenmenschlichen Beziehungen äußert sich dieses intensive Empfinden von Feindseligkeit und Aggressivität in verbalen Attacken, in toxischem Schweigen, in Diskriminierung, Mobbing und Hasssprache ("hate speech") in sozialen Netzwerken.
Der Hass kann zum Motiv für familiäre Gewalt werden. Seine mitbedingenden Ursachen sind vielfältig: Kindheitstraumata, soziale Tragödien, falsche Freunde, Alkohol, Drogen, vor allem aber Kränkungen. Doch wie werden aus bösen Gedanken böse Taten?
Das Böse bedroht uns und übt gerade deshalb auch eine große dunkle Faszination aus. Wer den Hass und das Böse stoppen will, muss wissen, warum und wie sie entstehen, wie man die Dynamiken erkennt, durchschaut und gegensteuert. Ist es vielleicht auch möglich, die gefährlich faszinierende Energie des Hasses in eine konstruktiv-schöpferische Kraft zu verwandeln?
Der bekannte Vorarlberger Gerichtspsychiater Reinhard Haller hat sich auf die Suche nach den Wurzeln des Bösen begeben. Sexualmörder und Serienkiller, Terroristen, Räuber und Kinderschänder, alte NS-Verbrecher und junge Amokläufer - ihnen allen saß er im Gefängnis gegenüber und ließ sich von ihnen erzählen, wie es zu ihren Taten kam, welche Motive und Gefühlszustände sie dabei antrieben und wie sie heute ihre Verbrechen sehen.