Szenenfoto: Drei Menschen in dunklem Raum

APA/HERBERT PFARRHOFER

Ö1 Hörspiel

Horváths lang verschollene Tragödie

"Niemand". Von Ödön von Horváth. Mit Devid Striesow, Inga Busch, Lisa Hrdina, Samuel Weiss, Martin Engler, Ingo Hülsmann, Barbara Philipp, Andreas Pietschmann, Friedhelm Ptok, Michael Rotschopf, Udo Schenk, Alexander Hauff und Gerd Wameling. Musik: Tilman Kanitz. Bearbeitung: Helmut Peschina. Ton: Jonas Bergler. Regie: Annette Kurth (WDR/ORF 2017)

Fast hundert Jahre war es verschollen: "Niemand", ein frühes Stück Ödön von Horváths, das 2015 wiederentdeckt und ein Jahr später im Theater in der Josefstadt uraufgeführt wurde. Horváth schrieb "Niemand", eine - wie es im Untertitel heißt - "Tragödie in sieben Bildern", 1924 im Alter von 23 Jahren. Der Titel bezieht sich auf Gott, dessen Abwesenheit oder Gleichgültigkeit dem Leben der Menschen gegenüber wird von den Figuren des Stücks immer wieder beklagt. Horváths Drama spielt in einer Zeit der Wirtschaftskrise, im Hause des seit seiner Jugend gehbehinderten Pfandleihers Fürchtegott Lehmann. Tyrannisch herrscht er über seine Mieter: über den Wirt, den armen Musiker Klein, die Mädchen Ursula und Gilda, und über Wladimir, den Zuhälter.

Bei Horváth, so der Literaturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk, gibt es keine Figuren, mit denen man sich eindeutig identifizieren möchte: "Die Menschen sind weder gut noch böse. Sie sind beides zugleich. Sie handeln frei und folgen zugleich sachlichen Zwängen. Horváths Theater ist kein Theater, das mit ideologischen Instrumenten operiert. Sein Blick ist programmatisch durchdringend, wenn auch nicht feindselig. Noch dem übelsten Schieber oder geilen, betrunkenen Geschäftsmann in Horváths Panoptikum wird ein Minimum von Mitleid verabreicht, das Trauer über die Kleinlichkeit des Menschlichen mit Melancholie über die Welt verbindet."

In "Niemand" finden wir einen für Horváth typischen Topos: Menschen, die aufgrund einer Wirtschaftskrise verarmen und moralisch verkommen. Und der Dramatiker zeigt - wie z.B. später auch in den "Geschichten aus dem Wiener Wald", dass Frauen doppelt getroffen werden - von den wirtschaftlichen Verhältnissen und den patriarchalen.

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  • Kurt Reissnegger

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