Cornelius Hell

Cornelius Hell - ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

José Saramago

Literaturkritiker und Übersetzer Cornelius Hell wirft Schlaglichter auf das Leben und Werk des portugiesischen Schriftstellers anlässlich dessen 100. Geburtstages

"Ich mag Anzug und Krawatte tragen, aber eigentlich bin ich ein Dorfmensch. Ich gehöre mehr zu den Leuten und der Landschaft meines Geburtsortes Azinhaga als zu Lissabon." So hat sich der portugiesische Literaturnobelpreisträger José Saramago, der heute vor hundert Jahren als Sohn von Landarbeitern geboren wurde, selbst beschrieben. Eigentlich hieß er José de Sousa, doch der Standesbeamte - er soll betrunken gewesen sein - trug jenen Namen in das Geburtenregister ein, mit dem die Familie im Dorf bekannt war: Saramago. Saramago ist der Ackerrettich, die Nahrung der Armen in Portugal, die auf den Latifundien der Großgrundbesitzer arbeiteten.

Später wurde Saramagos Vater Polizist in Lissabon, so konnte der Sohn ein Gymnasium besuchen. Er hatte beste Schulzeugnisse, doch bald reichte das Geld nicht mehr, daher musste er Mechaniker werden. Als er vierzehn Jahre alt war, schenkte ihm seine Mutter, selbst Analphabetin, sein erstes Buch. 19 Jahre war José Saramago alt, als er sich zum ersten Mal von geliehenem Geld ein eigenes Buch kaufte. Abends bildete er sich in Bibliotheken weiter und schaffte es dann, als Journalist, in Verlagen und als Übersetzer zu arbeiten. Weil sein erster Roman ein Misserfolg war, veröffentlichte er 19 Jahre lang kein Buch mehr.

55 Jahre war Saramago bereits alt, als sein zweiter Roman publiziert wurde, und erst in den 1980er Jahren erschienen die Romane, mit denen er berühmt wurde: "Das Memorial" und "Die Belagerung von Lissabon". Beide schöpfen aus den historischen Erinnerungen Portugals und schreiben eine Gegen-Geschichte aus der Perspektive ihrer Opfer. 1998 erhielt Saramago als bislang einziger Portugiese den Literaturnobelpreis. Bald danach kam er zu einer Lesung nach Salzburg.

Ich erinnere mich noch gut an den großen, hageren Mann, seinen wachen und ernsten Blick und den melodiösen Klang des Portugiesischen. Und wenn ich seine Romane lese, fällt mir ein, wie er einmal nach dem Grund für sein düsteres Weltbild gefragt wurde und zur Antwort gab: "Ich bin kein Pessimist, sondern bloß ein gut informierter Optimist." Und fügte hinzu: "Optimist kann eigentlich nur sein, wer gefühllos, dumm oder Millionär ist."

Service

Josè Saramago, "Das Evangelium nach Jesus Christus", Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1993 (nicht mehr lieferbar)
Josè Saramago, "Kain", Hoffmann und Campe. Hamburg 2011
Josè Saramago, "Das Zentrum", Btb 2014
Josè Saramago, "Die Stadt der Blinden", Btb 2015
Josè Saramago, "Das Memorial", Atlantik Verlag 2018

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Mario Pacheco
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: José Saramago
Album: DRAMA BOX
Titel: Fado adivinha II
Anderssprachiger Titel: Rätsel Fado II
Solist/Solistin: Misia
Ausführender/Ausführende: Jose Manuel Neto
Ausführender/Ausführende: Carlos Manuel Proenca
Ausführender/Ausführende: Luis Cunha
Ausführender/Ausführende: Daniel Pinto
Ausführender/Ausführende: Ricardo Dias
Ausführender/Ausführende: Victor Villena
Ausführender/Ausführende: Antonio Aguiar
Länge: 02:51 min
Label: Tropical Music/Naive/Extraplatte 68850

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