Theresa Stampler

MAGDALENA SCHAUER

Gedanken für den Tag

Nach Hause gehen

In der Woche auf Weihnachten zu erzählt Theresa Stampler, Leiterin der Caritas-Seelsorge, Theologin und Kunsthistorikerin, Geschichten vom Menschwerden

"Ich möchte so gerne ,nach Hause' gehen. Wenn ich daran denke, überkommt mich eine unglaublich große Sehnsucht und eine tiefe Freude, die mich als Ganzes erfüllt. Das erinnert mich daran, wie ich als Kind gewartet habe, bis endlich die Tür aufgehen würde und der hell erleuchtete Christbaum mit den Geschenken und dem Lebkuchenduft vor mir stehen würde", hat eine Patientin im Hospiz meiner Kollegin und mir an einem heißen Sommernachmittag im August geschildert.

Die schwer kranke Dame ist zu uns auf die Palliativstation gekommen, weil ihre Erkrankung so weit fortgeschritten war, dass die Schmerzen zu Hause nicht mehr ausreichend therapiert werden konnten. Nach einigen Tagen Aufenthalt waren die Schmerzen gut eingestellt worden und in der rund 50-jährigen Frau wuchs eine unstillbare Sehnsucht wieder ,nach Hause' zu gehen. Die Kolleg:innen waren bei der interdisziplinären Teambesprechung sehr skeptisch, ob eine Entlassung gut gehen könne: "Wird das mit der Schmerztherapie zu Hause mit dem mobilen Team auch so gut klappen? Was ist, wenn der Sohn überfordert ist? Wird die Dame die Zeit, wenn sie alleine in der Wohnung ist, auch gut schaffen?"

"Unsere Patientin ist nun schon seit einer Woche von einer unglaublichen Freude getragen", habe ich in Erinnerung gerufen. "Die Freude wird sie auch weiterhin tragen. Und vielleicht ist das ,nach Hause gehen' auf das sie sich freut, ja auch ein ganz anderes, ein letztes ,zu Hause'." Diese Perspektivenänderung hat unsere Betreuung der schwerkranken Frau im Team verändert. Wir haben sie nicht nur in ihre Wohnung begleitet, sondern auch bei ihrem letzten "nach Hause gehen" - und wir haben uns dabei von ihrer Sehnsucht und ihrer Freude mittragen lassen.

"Der Mensch hat nicht nur dort Heimat, wo er entspringt, sondern auch dort, wohin er mündet", sagte der österreichische Schriftsteller Franz Nabl. Es gehört zum Menschsein, eine Herkunft zu haben und eine tiefe Sehnsucht nach Heimat in sich zu spüren. Sich von der Sehnsucht bewegen zu lassen und der eigenen Freude zu vertrauen, kann ein Kompass sein auf dem Weg des Mensch-Werdens zwischen Herkunft und Heimat.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Element of Crime
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Sven Regener
Album: DIE SCHÖNEN ROSEN
Titel: Ulrikes Lied/instr. / Thema aus dem Film "Bandagistenglück"
Ausführende: Element of Crime
Länge: 02:42 min
Label: Motor 5331542

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