Meeresschildkröte

MICHAEL STACHOWITSCH

Vom Leben der Natur

Meeresschildkröten - bedrohte Urtiere (2)

Territoriale Weltenbummler.
Der Meeresbiologe Michael Stachowitsch spricht über Meeresschildkröten.
Teil 2: Schlüsselarten im Ökosystem

Meeresschildkröten sind Überlebenskünstler. Seit mindestens 150 Millionen Jahren leben sie auf der Erde, d.h. sie haben Dinosaurier gesehen - und eigentlich könnte man sie selbst als Dinosaurier bezeichnen. Die Gruppe der Meeresschildkröten umfasst insgesamt sechs bzw. sieben Arten. Allen gemeinsam ist eine Reihe von Merkmalen, die sich im Lauf der Zeit als perfekte Anpassung an das Leben im Wasser und teils auch am Land herausgebildet haben: So sind die Extremitäten der Meeresschildkröten zu großen Paddeln umgestaltet, ihr Panzer ist relativ flach und stromlinienförmig. Durch die Veränderungen des Rückenpanzers haben die Tiere die Fähigkeit verloren, ihren Kopf - im Unterschied zu ihren Artgenossen - bei Gefahr einzuziehen. Eine weitere Besonderheit sind die sogenannten "Tränen" der Meeresschildkröten: Als Anpassung an das Leben im Salzwasser haben sie Salzdrüsen ausgebildet, die den Salzgehalt des Blutes regulieren, indem sie ständig eine Salzlösung abgeben.

Meeresschildkröten sind "territoriale Globe-Trotter", d.h. sie leben in den Weltmeeren, die Weibchen kehren zur Eiablage aber mehrheitlich an jenen Strand zurück, an dem sie selbst geboren wurden. Wie sie den wiederfinden, ist eines der ungelösten Rätsel dieser faszinierenden Lebewesen. Geschlechtsreif werden sie mit rund 20 Jahren, und nach der Begattung in Strandnähe gehen die Weibchen an Land und legen dort bis zu mehrere hundert Eier in mühsam mit ihren Extremitäten gegrabenen Löchern in den Sand. Dann kehren sie ins Meer zurück, überlassen das Ausbrüten der Eier der Sonne. Nach ungefähr 50 Tagen schlüpfen die Jungen - doch nur wenige schaffen den Weg ins Wasser, und Schätzungen zufolge erlebt nur eines von etwa 1000 das Erwachsenenalter. Auch diese Angaben können bis heute schwer überprüft werden, da keine Markierung 20 Jahre lang hält.

Meeresschildkröten sind Schlüssel- und Flagschiff-Arten, hält Michael Stachowitsch, Meeresbiologe an der Uni Wien, fest. Und er bekräftigt, dass alle Meeresschildkrötenarten gefährdet sind, auf der "Roten Liste" der Weltnaturschutzorganisation IUCN stehen. Die Klimaerwärmung macht ihnen ebenso zu schaffen wie die Verschmutzung der Strände und der Meere, die Erosion der Küsten sowie der intensive Tourismus und die Fischerei.

25 Jahre lang hat Michael Stachowitsch ein Meeresschildkröten-Schutzprojekt in der Türkei geleitet und gemonitort, hat versucht, ihre Nistplätze zu erhalten und geschlüpften Jungtieren das Überleben zu sichern. Mit Hilfe hunderter Student:innen konnten zudem wissenschaftliche Daten insbesondere über die "unechte" Karettschildkröte erhoben und wichtige Erkenntnisse gewonnen werden.

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GESPRÄCHSPARTNER:
Priv.-Doz. Dr. Michael Stachowitsch
Universität Wien
Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie

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