Krankenhausbett

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Medizin und Gesundheit

Fährt unser Gesundheitssystem an die Wand?

Es brennt an mehreren Ecken


So viele Probleme gleichzeitig gab es im österreichischen Gesundheitssystem noch nie: Überlaufene Spitalsambulanzen, verschobene Operationstermine, zu wenige Kassenvertrags-Ärzte für Allgemeinmedizin und überlange Wartezeiten bei niedergelassenen Fachärztinnen.
Vergangenen Donnerstag haben wir die Probleme aus Sicht der Ärzteschaft analysiert.
Diesmal haben Sie die einmalige Gelegenheit live mit den wichtigsten Entscheidungsträgern zu diskutieren. Zu Gast bei Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos sind: der österreichische Gesundheitsminister Johannes Rauch, Andreas Huss, Obmann-Stellvertreter der Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK und der Präsident der Österreichischen Ärztekammer Dr. Johannes Steinhart.
Die Problemfelder sind seit vielen Jahren bekannt. Wir werden die Verantwortungsträger fragen, welche Lösungsansätze sie bieten können.

Zu wenige Ärzte?

Ganz im Gegenteil. Mit mehr als fünf Ärzten pro 1.000 Einwohnern hat Österreich eine sehr hohe Dichte an Ärzten. In unseren Nachbarländern Deutschland und der Schweiz gibt es nur etwas mehr als vier Ärztinnen auf 1.000 Einwohner.

Zu wenige Spitalsbetten?

Da liegt unser Land ebenfalls im Spitzenfeld der EU. Seit Beginn der Pandemie sind zwar immer wieder viele Stationen teilweise oder ganz geschlossen worden. Aber unterm Strich gibt es keinen Bettenmangel. Also auch daran liegt es nicht, dass Operationen verschoben werden müssen.

Warum weist die Gesundheitsversorgung Lücken auf - liegt es an dem Budget?

Gerade die österreichische Bevölkerung hat ein Recht auf ausreichende medizinische Betreuung. Denn die Gesundheitsausgaben pro Kopf (durch Steuern finanziert) betragen 4.100 Euro. Damit liegen wir EU-weit an dritter Stelle. Die durchschnittlichen Ausgaben in Europa betragen 3.200 Euro.

Die Sache mit den geburtenstarken Jahrgängen…

In wenigen Jahren wird die Hälfte aller niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte das Pensionsantrittsalter erreicht haben. Ein vorhersehbares Ereignis also, der mit den Absolventen der Medizinunis kaum zu bewältigen sein wird.
Auch diese Tatsache ist seit vielen Jahren bekannt. Welche Lösungsansätze haben unsere Gäste?

Ist der Lack schon ab?

Der einstige Traumberuf mit weißem Kittel und Stethoskop um den Hals scheint für viele Jungmediziner unattraktiv geworden zu sein. In den Spitälern klagen 75 Prozent der Ärzteschaft über eine zu hohe Arbeitsbelastung. Dies führt, laut einer rezenten Umfrage der Ärztekammer, zu einer großen Unzufriedenheit und auch gesundheitlichen Problemen der medizinischen Belegschaft. Ganz abgesehen von der Gefahr erhöhter Fehleranfälligkeit, von übermüdetem und überfordertem medizinischem Personal. Ähnliches gilt für die Arbeit in überfüllten Kassenordinationen.

Zankapfel Wahlärztesystem

Viele sehen sich daher nach Alternativen um. Fachkräfte wandern zunehmend vom öffentlichen Gesundheitssektor in den privaten Bereich ab. Während es in den Kliniken an Personal mangelt und Hausarztpraxen nicht nachbesetzt werden, öffnen zahlreiche Wahlarzt-Ordinationen ihre Pforten. Weniger Arbeitszeit, mehr Muße für die Anliegen der Patientinnen und damit Zufriedenheit auf allen Seiten sind starke Argumente. Natürlich Ausdruck einer Mehrklassen-Medizin, denn nur wenige können sich die Honorare leisten.

Das größte Problem

Die Krankenhäuser sind Sache der Bundesländer. Dem Gesundheitsministerium sind da weitgehend die Hände gebunden. Umfassende Reformen scheitern daran, dass die acht Länder und die Bundeshauptstadt eigene Gesundheits-Beauftragte haben. Die Buntheit des Föderalismus konnten wir ja bereits während der Pandemie bewundern, als es kaum gelang österreichweite Maßnahmen durchzusetzen.
Diese Situation ist unser aller Gesundheit abträglich.

Service

Studiogäste:

Johannes Rauch
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
Stubenring 1
1010 Wien
E-Mail
Homepage

Andreas Huss, MBA
Obmann-Stellvertreter der Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK
Wienerbergstraße 15-19
1100 Wien
Homepage

OMR Dr. Johannes Steinhart
Präsident der Österreichischen und Wiener Ärztekammer
Weihburggasse 10-12
1010 Wien
E-Mail
Homepage

Info-Links:

Österreichische Ärztekammer
Österreichische Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin
Ärztekammer für Wien: Große Wiener Spitalsumfrage
ORF.at: Ärztemangel: Es fehlen 10 Prozent
Ärztekammer Steiermark: Rezepte gegen den Ärztemangel

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