Blauer Himmel und Nebel über Wiese

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Radiogeschichten

Geschichten eines Nobelpreisträgers

Johannes V. Jensen: "Neue Himmerlandsgeschichten", Guggolz Verlag (Übersetzung: Ulrich Sonnenberg). Es liest Stefan Suske

Der dänische Schriftsteller Johannes Vilhelm Jensen zählt zu jenen Literaturnobelpreisträgern, die wenige Spuren in der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts hinterlassen haben. Das mag auch daran liegen, dass er ihn 1944 erhalten hat, für, so die Begründung, "die seltene Kraft und Fruchtbarkeit seiner Dichterfantasie, verbunden mit umfassendem Intellekt und kühner schöpferischer Stilkunst".

Doch 1944, in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, verblasste die Strahlkraft des Nobelpreises rasch, zumal der damals 71-jährige Jensen weder als Person noch mit seinen Romanen und Erzählungen einen moralischen oder politischen Aufbruch signalisierte. Er war ein Mann der Vergangenheit, der vor allem mit seinen zwischen 1898 und 1910 erschienenen "Himmerlandsgeschichten" erfolgreich war.

Himmerland, das ist die Region im Norden Dänemarks, aus der Jensen stammte. Die Eltern besaßen eine Weberei, doch wie in vielen agrarisch geprägten Gegenden der damaligen Zeit, war die Familie reich an Kindern und damit an finanziellen Sorgen. Dennoch konnte Johannes Jensen das Gymnasium abschließen und in Kopenhagen ein Medizinstudium beginnen, das er zugunsten einer Schriftstellerlaufbahn abbrach. Um Geld zu verdienen, schrieb er Unterhaltungsromane, aber eben auch an seinen ersten Himmerlandsgeschichten, in denen er, wie sein norwegischer Zeitgenosse Knut Hamsun, die Schilderung des regionalen Lebens mit den Erfordernissen und den Krisen, die sich aus den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der Jahrhundertwende ergeben, verknüpft. Der 1910 erschienene dritte Band ist nun in neuer Übersetzung herausgekommen.

"Neue Himmerlandsgeschichten" versammelt 18 Erzählungen und Essays, in denen Johannes Jensen wie ein Ethnologe über den Wandel der Zeit und die gesellschaftlichen Entwicklungen reflektiert. Die technische Moderne bricht in den ländlichen Raum ein und verdrängt mit ihren Zerstörungen und auch Versprechungen die vertrauten Sagen und Traditionen. Die neue Eisenbahnlinie verändert nicht nur den Alltag, sondern auch den Blick auf die Welt außerhalb der unmittelbaren Umgebung. Das führt zu Emigrationswellen und zur Erweiterung der Welt um das verheißungsvolle Land jenseits des Ozeans, das nun erreichbar geworden ist.

Sendereihe

Gestaltung

  • Peter Zimmermann

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