Gandhis Todestag

30. Jänner 2023, 06:56

Heute vor 75 Jahren ging Mahatma Gandhi von zwei Großnichten begleitet zum frühabendlichen Gebetstreffen in den Garten, als er dort aus unmittelbarer Nähe erschossen wurde.

Nathuram Godse, Gandhis Mörder war ein Hindu-Nationalist, dessen Gruppe schon Tage vorher ein missglücktes Bombenattentat auf den Befreier Indiens unternommen hatte. Ein eindeutiges Bild scheint hier vorzuliegen. Ein fundamentalistischer Hindu erschießt einen in London ausgebildeten Anwalt, der mit Christentum und westlichem Denken vertraut war und für einen säkularen indischen Staat eintrat.

Aber ist dieser Blick nicht zu sehr westlich und kolonial geprägt? Der postkoloniale Psychologe Ashis Nandy hat sich mit Gandhis Mörder intensiv auseinandergesetzt und weist diese oberflächliche Deutung zurück. Godse stehe für einen nur hinduistisch verhüllten Säkularismus, während Gandhi aus echter religiöser Überzeugung handelte. Was aber heißt hier säkular oder religiös? Godse rechtfertigte sich in seinem Mordprozess ausführlich. Er warf Gandhi vor, die Stärke und Männlichkeit Indiens durch die Betonung der Gewaltfreiheit und eine Spiritualisierung der Politik geschwächt zu haben. Der Hindu-Nationalist bleibt von westlicher Machtpolitik bestimmt, als bloßer Gegenspieler, so Ashis Nandys Befund.

Gandhis alternative Vorstellung von Politik orientierte sich hingegen am Beispiel des göttlichen Königssohnes Rama, wie er ihn aus dem indischen Epos "Ramayana" kannte. Rama wurde am Tag seiner geplanten Krönung für 14 Jahre in den Wald verbannt und nahm dieses aufgezwungene Exil in Demut an. Er verkörpert eine Politik, die von Tugenden wie Demut, Wahrheit und Gewaltfreiheit getragen ist. Gandhis letzte Worte waren "He Ram", eine Anrufung des Gottes Rama, der ihm schon in seiner Kindheit die Angst vor Geistern nahm. Gandhis Anstöße für eine menschengerechte Politik bleiben auch 75 Jahre nach seinem Tod bedeutend.

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• Alexandra Mantler