Alina Dreyer

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Das Ding mit Federn

"Worte können schwerwiegende Probleme zwar oft nicht lösen, aber sie können uns in schwierigen Momenten den Rücken stärken", stellt Aline Dreyer, Schauspielerin und Dolmetschstudentin, fest

Dieser Winter ist nicht nur in einer Hinsicht ein besonders kalter. Egal, ob man nach innen sieht oder nach außen, in die unmittelbare Umgebung oder weiter weg: Überall scheinen Gründe für Angst und Sorge zu sprießen.

Wen wundert es da, wenn die Welt zwischendurch wirklich nur noch grau und kalt ist; wenn man sich fragt, ob unsere menschliche Natur überhaupt etwas anderes bietet als Hass, Gier und Missgunst; wenn man auch im eigenen Mikrokosmos vergeblich nach Gründen zur Freude sucht. Auch die Sprache kommt da an ihre Grenzen. Von Hoffnung wird in verzweifelten Momenten gern gesprochen, merkwürdigerweise in Verbindung mit Bildern, die einen nicht minderen Grad an Verzweiflung aufweisen: Du musst hoffnungsvoll bleiben. Gib die Hoffnung nicht auf. Halt an der Hoffnung fest. Aber wenn einem Frustration, Trauer, Ungewissheit und Angst tonnenschwer auf die Brust drücken und man selbst einfach nur noch erschöpft ist, wie soll man da noch Kraft haben, um Hoffnung zu kämpfen?

Vor Kurzem bin ich auf ein Gedicht von Emily Dickinson gestoßen. Es beginnt so: "Hope is the thing with feathers, that perches in the soul, that sings the tune without the words and never stops - at all -." "Hoffnung ist das Ding mit Federn, das in der Seele sitzt. Das Lieder ohne Worte singt und nie aufhört, niemals." Dieser Text kämpft nicht. Emily Dickinson schreibt nicht davon, dass man das Ding mit Federn festhalten muss, sondern, dass es in der Seele nistet. Sie schreibt nicht, dass man es immer hört - nur, dass es niemals aufhört, zu singen.

Vielleicht muss man sich Hoffnung nicht erkämpfen. Vielleicht muss man sich an ihr nicht festhalten wie an einem Strohhalm. Vielleicht ist Hoffnung einfach immer da. In uns drin. Ich glaube, das ist unsere Natur. Wir brauchen Hoffnung, um in Einklang mit der Welt zu kommen. Manche Tage rauschen grau in unseren Ohren, und so sehr wir uns anstrengen, es wird nicht weniger dumpf klingen. Aber auch dann, wenn wir das Ding mit Federn gerade nicht singen hören: Es ist immer noch da - und bald wird auch sein Lied wieder zu uns durchdringen.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Ludovico Einaudi
Gesamttitel: Nomadland / Original Filmmusik
Titel: Oltremare/instr.
Solist/Solistin: Ludovico Einaudi
Länge: 11:00 min
Label: Decca/Universal Promo

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