Alina Dreyer

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Ich hör dich gehen

"Worte können schwerwiegende Probleme zwar oft nicht lösen, aber sie können uns in schwierigen Momenten den Rücken stärken", stellt Aline Dreyer, Schauspielerin und Dolmetschstudentin, fest

Richtig zuhören ist schon eine Kunst. Ich persönlich kenne kaum jemanden, der nicht selbst ausreden und gehört werden will, aber wirklich wenige, die genauso gern und gut zuhören, wie sie antworten.

Dolmetschen ist eine gute Lektion im Zuhören. Wenn es logisch scheint, dass man gut zuhören muss, um übersetzen zu können, so ist die Praxis um einiges schwieriger. Um etwas gut von einer Sprache in die andere zu übertragen, muss man nicht nur die einzelnen Worte verstehen, sondern erfassen, was den Sinn, gewissermaßen die Essenz des Gesagten ausmacht. Wenn man während des Zuhörens an einem Wort hängenbleibt, das man unbedingt "gut" übersetzen möchte, hat man schon verloren. Oder zumindest die nächsten zwei Sätze verpasst. Das Ganze ist wichtig. Ich glaube, das Gefühl, man müsse auf absolut alles eine gute Antwort haben, hindert uns oft daran, gut zuzuhören.

Im österreichischen Dialekt gibt es da eine Phrase, die mir wahnsinnig sympathisch ist. Ich habe sie zum ersten Mal im Salzkammergut gehört, ich weiß nicht, woher sie kommt und wo sie sonst noch verwendet wird. "I hea di geh" drückt Verständnis aus; dass man nachvollziehen kann, was der oder die andere gesagt hat - aber nicht nur das. Ich höre dich gehen. Ich habe Schritte auf dem Erdboden näherkommen hören und dich in ihrem Klang erkannt. Ich höre dir zu, ich sehe dich. So weiß ich, woher du kommst und wohin du unterwegs bist. Nicht mehr, nicht weniger.

Ich könnte auch "ja" sagen oder dem, was du mit mir teilst, einen vollendeten Monolog entgegensetzen und damit, ohne zu zögern, das Gespräch in die Hand nehmen und weitergehen, ohne zu wissen, ob du vielleicht noch stehenbleiben wolltest. Oder ich könnte nicken und sagen, "I hea di geh". Ich glaube, wenn wir uns nicht darum sorgen, immer wissen zu müssen, wie man auf einen Gesprächspartner reagieren soll, werden Gespräche wahrhaftiger. Man hat nicht immer etwas zu entgegnen. Letztendlich sprechen wir doch miteinander, weil wir uns begegnen wollen. Weil wir erkannt werden wollen. Aber es ist genauso schön, wenn wir den oder die andere wirklich sehen. Beziehungsweise hören. Oder eben gehen hören.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Zbigniew Preisner geb.1955
Gesamttitel: ELISA / Original Filmmusik
Titel: Nocturne II/instr.
Solist/Solistin: Konrad Mastylo
Orchester: Sinfonia Varsovia
Leitung: Zdzislaw Szostak
Länge: 01:57 min
Label: Philips 5267502

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