Valentin pfeift auf dem Grashalm

18. Februar 2023, 06:56

Er glaube nicht an die Existenz erwachsener Menschen, sagte Heinrich Böll in einem Fernsehinterview, der erwachsene Mensch sei nichts weiter als eine Fiktion.

Die Wiener Dichterin Vera Ferra-Mikura, Angehörige derselben Generation wie Heinrich Böll, hat ihr halbes Leben damit verbracht, für Kinder zu schreiben, Lyrik und Prosa, Texte zu Bilderbüchern und längere Erzählungen. In dem poetischen Raum, den sie dabei erschaffen hat, werden die Abgrenzungen zwischen "groß" und "klein", "kindlich" und "erwachsen" immer wieder unterlaufen und überwunden. Immer wieder sind es in Ferra-Mikuras Büchern die Kinder, die sich den Blick auf das Wesentliche bewahren, während die Erwachsenen sich in Unwichtigkeiten ergehen, sich in Nebensächlichem verlieren.

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür liefert die Erzählung "Valentin pfeift auf dem Grashalm". Sie handelt von einem Gärtner mit einer besonderen Fähigkeit: er kann Wünsche erfüllen, überall und jederzeit. Alles, was er dafür braucht, sind Grashalme, um darauf zu pfeifen. Als sie davon Wind bekommen, bestürmen ihn die Menschen mit ihren Wünschen.

Herr und Frau Schnapp etwa - wie so oft bei Ferra-Mikura ein sprechender Name - wissen ganz genau, was sie alles brauchen und woran es ihnen mangelt und bitten Valentin, es schnurstracks herbeizupfeifen: eine Handtasche aus Schlangenhaut, einen persischen Teppich, eine goldene Uhr, einen Gutschein für eine Weltreise und, und, und... Die Liste ist lang. Ganz außer Atem kommen sie vom vielen Wünschen, und alles geht in Erfüllung; glücklich aber werden sie dabei nicht. Wunschlos glücklich hingegen ist ihre kleine Tochter Ulrike, als der Graspfeifer Valentin sie mit einer Seifenblase überrascht, groß und rund wie eine Wassermelone.

"Ich hab' etwas gesehen, das schön war!", sagt sie und lächelt. Was wünscht man sich mehr für einen Tag?

Service

6 Stanislaus-Bände, Verlag Jungbrunnen
"Lustig singt die Regentonne", Verlag Jungbrunnen
"Die Sackgasse", Milena-Verlag
"1, 2, 3, dann reite ich durch den ganzen Himmel", Bibliothek der Provinz
"Panoptikum", Bibliothek der Provinz
"Ausgewählte Gedichte", Podium

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• Gedanken für den Tag

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• Alexandra Mantler

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• Lesen mit Ö1