Johanna Schwanberg

LUXUNDLUMEN/MARLENE FRÖHLICH

Gedanken für den Tag

Schlemmen - Feiern - Fasten

Was Essens-Bilder alles offenbaren können, zeigt Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien und Präsidentin vom Icom Österreich, auf

Seit Studienzeiten pilgere ich im Februar oder März gerne ins Kunsthistorische Museum. Denn hier gibt es ein Gemälde zu sehen, das mir seit Jahrzehnten Rätsel aufgibt. Vor allem kenne ich kein zweites Bild in der Kunstgeschichte, das sich auf so komplexe Weise mit der Zeit rund um Faschingsdienstag und Aschermittwoch befasst wie dieses. Gemalt hat es Pieter Bruegel der Ältere im Jahr 1559; es ist unter dem Titel "Der Kampf zwischen Fasching und Fasten" bekannt.

Auch wenn ich dieses Bild schon unzählige Mal betrachtet habe, entdecke ich darauf immer wieder Neues. Denn wie auf einer großen Bühne findet sich darauf eine Vielzahl an Figurengruppen oder kleinen Szenen dargestellt. Die linke Seite wird von einem Wirtshaus begrenzt und zeigt unterschiedliche Brauchtümer aus der Faschingszeit; rechts steht eine große Kirche - davor gibt es Symbole und Bräuche aus der Fastenzeit zu sehen. Im Zentrum treffen diese zwei miteinander kämpfenden Welten aufeinander - verbildlicht durch Personifikationen. Ein dickbäuchiger Mann auf einem Bierfass reitend verkörpert mit einem Fleischspieß als Waffe in der Hand den Fasching. Ihm gegenüber sitzt auf einem Wagen die Verkörperung des Fastens, dargestellt als ausgemergelte, alte Frau. Als Waffe trägt sie eine Backschaufel mit zwei Heringen darauf, traditionellerweise eine Fastenspeise.

Mich interessiert dieses Bild, weil es mit seinem enzyklopädischen Charakter eine Neuheit in der damaligen Zeit darstellte. Dadurch erzählt es mir heute viel über die volkstümlichen Bräuche einer vergangenen Epoche: Bruegel malt spielende und zügellos feiernde Menschen und ihre Ausschweifungen. Er stellt maßlos Völlernde dar, die sich aus dem Fenster übergeben. Er malt aber auch Menschen, die Fastenspeisen verkaufen und mit einem Aschekreuz auf der Stirn aus der Kirche kommen. - umringt von Bedürftigen und Beeinträchtigten, die um Almosen bitten. Überraschend dabei: Der Künstler nimmt keine moralisierende Wertung vor, indem er eine Seite als ausschließlich gute und eine als eindeutig verwerfliche erscheinen lässt.

Das fasziniert mich, weil es mir verdeutlicht, dass das Leben nicht nur schwarz oder weiß ist. Vielmehr besteht es aus unzähligen Grautönen, in denen das Über-die-Stränge-Schlagen genauso seinen Platz haben darf wie Verzicht und Reduktion.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Anonym
Gesamttitel: In the Streets and Theatres of London - Straßengesänge und Theatermusik aus Elisabethanischer Zeit
Titel: Grimstock (tw. unterlegt)
Ausführende: Musicians of Swanne Alley
Leitung: Lyle Nordstrom
Leitung: Paul O'Dette
Länge: 01:29 min
Label: Virgin VC 7907892

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