Johanna Schwanberg

LUXUNDLUMEN/MARLENE FRÖHLICH

Gedanken für den Tag

Kunst aus Essen

Was Essens-Bilder alles offenbaren können, zeigt Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien und Präsidentin vom Icom Österreich, auf

Auf die Kunst hat alles, was mit dem Essen zu tun hat, seit jeher eine enorme Faszination ausgeübt. Dies zeigen mir ein ägyptisches Relief mit brotbackenden Männern, ein frühneuzeitliches Markt- oder Küchenstück, ein Abendmahlfresko aus der Renaissance, ein manieristisches Gemüseporträt oder ein barockes Prunkstillleben.

Allerdings gab es stets noch eine andere Form der Beziehung von Kunst und Essen, denn über Jahrhunderte waren Lebensmittel eng mit der Herstellung von Farben und Bindemitteln verbunden. Mitunter wurden Lebensmittel auch zur Gestaltung vergänglicher Werke verwendet - etwa Zucker für Skulpturen im Rahmen der neuzeitlichen Festkultur. Eine Tradition, die im 20. Jahrhundert aufgegriffen und zugespitzt wird, indem nun seit den 1960er Jahren Materialien wie Fett, Schokolade, Gewürze, Brot und Honig zum Medium des künstlerischen Ausdrucks werden.

Aus Lebensmitteln besteht auch eines meiner Lieblingsobjekte unserer Sammlung Otto Mauer Contemporary. Es ist eine kleine Skulptur in einer Vitrine, die auf den ersten Blick leicht zu übersehen ist. Umso beeindruckender ist sie allerdings, hat man sie einmal genauer unter die Lupe genommen. Denn sie zeigt ein Sauerteigbrot, das die Grenzen eines Metallkäfigs gesprengt hat, indem es vor dem Backen aufgegangen ist. Die starke bildliche Wirkung wird noch unterstrichen, wenn ich den Titel lese. Denn das Objekt heißt "Etwas Lebendiges in etwas Totem".

Gemacht hat es der junge kubanische Künstler Nelson Jalil im Jahr 2020. Als das Objekt bei einer Ausstellung in Kuba erstmals gezeigt wurde, erschien es vielen Kubanern als Sinnbild ihres Landes, wo seit den Protesten vor dem Kulturministerium in Havanna Ende 2020 die Zensur immer brutaler wurde und viele Kunstschaffende ins Gefängnis kamen.

Das Objekt erscheint darüber hinaus wie eine Metapher für jede Form von Einschränkung eines lebendigen Organismus. Es erinnert an Stacheldrähte oder Grenzzäune - genauso aber an innere, unsichtbare Grenzen. Das berührt mich. Und es zeigt mir, wie Kunst auch mit einfachen Mitteln Wesentliches über das Leben aussagen kann. Denn geht es mir nicht auch so, dass ich tagtäglich versuche, Grenzen - seien es äußere oder innere - immer wieder ein Stück weit zu überwinden, um stets lebendig zu bleiben?

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Philipp Telemann 1681 - 1767
Titel: Ouvertüre für 2 Oboen, Streicher und B.c. in B-Dur - Tafelmusik III Nr.1
* Menuet - 7.Satz (00:03:20)
Orchester: The Amsterdam Baroque Orchestra
Leitung: Ton Koopman
Solist/Solistin: Monica Huggett
Solist/Solistin: Alison Bury
Solist/Solistin: Ku Ebbinge
Solist/Solistin: Michel Henry
Ausführender/Ausführende: Ton KOOPMAN 2.10.1944 Zwolle, NL
Länge: 03:20 min
Label: Erato 75394

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