Freiheit und Feminismus

10. März 2023, 06:56

Wer in einer Gesellschaft die Macht inne hat, bildet die Norm. Und was normal ist, darüber spricht man nicht. Das ist einfach nur. Anders gesagt: Alte, weiße Männer sind die Subjekte der Gesellschaft. Sie reden, sie bestimmen. Alle anderen Menschen sind hingegen vornehmlich Objekte. Man schaut sie an, man lässt sie für sich arbeiten, man macht sich über sie lustig. Über sie redet man, über sie bestimmt man.

Die Phrase "alter, weißer Mann" dreht den Spieß um. Plötzlich werden diejenigen begutachtet, die sonst immer nur selbst begutachten. Plötzlich spüren diejenigen, die gewohnt sind, Subjekt zu sein, wie unangenehm es ist, die Position der Verallgemeinerung und der Objektifizierung einzunehmen. Schnell ist von "Political Correctness", "Identitätspolitik", und "Cancel Culture" die Rede. Statt auf Inhalte zu schauen, gehe es nur noch um Identitäten. So die Unterstellung.

"Ich finde es bemerkenswert, dass so getan wird, als sei nun erstmals die Frage wichtiger geworden, wer spricht, und nicht so sehr, was gesagt wird. Das ist eine ganz falsche Wahrnehmung der Geschichte, in der wir selber auch stehen", so sagt es Soziologin Paula-Irene Villa Braslavsky. Und sie hat recht: Wer spricht, war immer schon enorm wichtig. War man kein weißer Mann, hatte man lange Zeit nämlich überhaupt nichts zu sagen.

Jahrhundertelang hatten marginalisierte und unterdrückte Menschen nur nicht die Möglichkeiten, sich zu wehren. Heute ist das anders: Ungerechtigkeiten fallen mehr auf, bleiben weniger oft unkommentiert. Betroffene vernetzen sich, unterstützen einander. Wer sich diskriminierend verhält, muss mittlerweile mit Kontra rechnen - und vielleicht auch mit Konsequenzen. Das mag ungewohnt sein, hat mit Freiheitsraub aber nichts zu tun.

Denn die Freiheit ist woanders zu verorten: Frauen, People of Color, Migrant:innen, Armutsbetroffene, Menschen mit Behinderung, LGBTQIA und junge Menschen erkämpfen sich Stück für Stück das, was ihnen dem Gesetz nach bereits zustehen sollte: ihr Recht auf Freiheit.

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