Zwischenruf

10 Jahre Papst Franziskus

von Mathilde Schwabeneder, ehemalige ORF-Korrespondentin in Rom

Als der neu gewählte Papst mit einem einfachen buona sera die Loggia des Petersdoms betrat, traute ich meinen Augen nicht. Denn Jorge Mario Bergoglio war auf meiner persönlichen Zehner-Liste. Der Kardinal aus Buenos Aires entsprach nämlich - meiner Meinung nach - den Anforderungen, die sich aus den Konsultationen der Kardinäle ergeben hatten. Und: Er selbst hatte in einer Rede einen radikalen Richtungswechsel gefordert und Eitelkeit sowie Ich-Bezogenheit der Kirche scharf kritisiert. Nun wählt der erste Jesuit im Papstamt auch noch den Namen Franziskus. Ein Name ein Programm - überschlagen sich die Medien.

Franziskus überrascht. Und hört nicht auf zu überraschen. Er ist authentisch, bescheiden, will nahe an den Menschen sein. Ein Papst, der eine "arme Kirche, eine Kirche für die Armen" will. "Eine Kirche, die - wie er betont - an die Peripherie der menschlichen Existenz gehen soll." Eine der größten Überraschungen war daher, die Wahl seiner ersten Pastoralreise. Sein Wunsch, Lampedusa zu besuchen, um so das Leid der Bootsflüchtlinge in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Auch ich bin mit meinem Kameramann auf der kleinen Insel, als Franziskus erstmals von einer globalisierten Gleichgültigkeit spricht. Seit diesem Tag setzt er sich unermüdlich für die Rechte von Flüchtenden und Migranten ein. Sehr zum Missfallen vieler Politiker und Andersdenkender.

Immer wieder rüttelt Franziskus an scheinbar in Stein gemeißelten Vorstellungen. Wie 2015 in seiner Enzyklika Laudato si. "Es gibt nicht zwei Krisen nebeneinander", schreibt er, "sondern eine einzige und komplexe sozioökologische Krise." Auch hier fordert er die internationale Gemeinschaft auf, gemeinsam zu handeln. Ein rein auf Gewinn ausgerichtetes Wirtschaftssystem zerstöre die Menschheit. Ein fundamentales Umdenken sei notwendig. Worte wie diese bescheren nicht nur Zustimmung. Im Gegenteil, heftige Kritik wird vielerorts laut. Franziskus ein Kommunist, ja, ein Häretiker ist sogar von Kardinälen zu hören. Ein unglaublicher Affront. Aber auch eine bis heute offene Front.

Ich hatte das Privileg, Franziskus auf den meisten Reisen zu begleiten und konnte aus der Nähe sehen, wie wichtig ihm der pastorale Zugang ist. Er will wissen, wo die Menschen der Schuh drückt. Doch er hat auch immer das große Ganze im Auge. Er warnt - für viele lange Zeit unverständlich - vor einem Weltkrieg in Etappen. Die Welt gebe mehr für Waffen als für Bildung aus, beklagt er und fordert vehement ein Verbot von Atomwaffen. Im Ukraine-Krieg bietet Franziskus immer wieder seine Vermittlung an. Gehört wird er nicht. Weder in Moskau noch in der Ukraine.

Innerkirchlich ist es Papst Franziskus ein Anliegen, zu dezentralisieren. Er setzt auf Synoden und beruft sogar eine Weltsynode ein. Mittels Fragebögen und vorsynodalen Versammlungen werden die unterschiedlichen Meinungen rund um den Globus erhoben. Ein Novum in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche. Und auch das gefällt nicht allen hinter den vatikanischen Mauern. Doch die schon vor dem Konklave geforderte Kurienreform ist inzwischen abgeschlossen. Nach vielen Rückschlägen und vielleicht nicht ganz so, wie erwartet.

Und wie hält es Franziskus mit den Frauen? Rund ein Viertel der Vatikanangestellten ist heute weiblich. Frauen bekleiden auf Wunsch des Papstes auch immer häufiger Führungspositionen. Doch die zentrale Frage des Frauenpriestertums bleibt wie die des Zölibats weiterhin offen. Hier scheint ein Richtungswechsel in weite Ferne gerückt.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Carlos Guastavino
Album: GITARREN MUSIK AUS ARGENTINIEN / Victor Villadangos
* Allegro deciso e molto ritmico - 1.Satz (00:06:37)
Titel: Sonata Nr.1 - für Gitarre
Sonate
Solist/Solistin: Victor Villadangos /Gitarre
Länge: 06:40 min
Label: Naxos 8555058

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