Egon Erwin Kisch

APA/MUSEUM DER TECHNISCHEN LITERATUR

Gedanken für den Tag

Kisch und die Fake News

Wolfgang Müller-Funk, Literaturwissenschaftler, zum 75. Todestag von Egon Erwin Kisch

Wie für viele Autoren und Journalisten damals, bildet auch für Egon Erwin Kisch das Jahr 1918 - der verlorene Krieg und der Zusammenbruch der Monarchie - eine Zäsur.

Auch wenn er sich schon vor dem Ersten Weltkrieg als Reisejournalist betätigt, so erlangt er in diesem Bereich nach 1918 im gesamten deutschsprachigen Raum Berühmtheit und Anerkennung, insbesondere im Deutschland der "Weimarer Republik". Der Titel eines Buches mit gesammelten Feuilletons "Der rasende Reporter" wird nunmehr zum Attribut des Altösterreichers Kisch.

1919 tritt er der Kommunistischen Partei Österreichs bei und wird bis zu seinem Lebensende Kommunist bleiben. Gleichzeitig versucht er sich vom tendenziösen Journalismus abzugrenzen. Von Kurt Tucholsky wird er indes wegen seiner Mischung von Fiktion und Faktum als unwahrhaftig sozusagen als "Fake-Produzent" gegeißelt.

Zum Markenzeichen des "rasenden Reporters" gehört von Anfang an, dass er sich für seine Recherche in einen anderen verwandelt. Etwa, wenn er von einem Gespräch mit seinem Zimmergenossen Heinrich berichtet, "dessen vierzig Schlägermensuren und fünfunddreißig Säbelpartien sein Gesicht in ein Pepitamuster" und "in die Bilderbeilage eines chirurgischen Lehrbuchs" verwandelt hat.

Nun verschiebt sich das Gespräch auf die vorgeblich hässlichen Tätowierungen des Schreibers. Heinrich zeigt sich empört, wie sich sein vermeintlicher Kamerad zugerichtet hat, während der tätowierte Autor entgegnet, dass der Mensch ohne Körperbemalung nackt sei.

In einem anderen Feuilleton schlüpft Kisch wie ein Schauspieler in das enge Trikot eines Tauchers und stürzt sich furchtlos, mit Schillers berühmtem Gedicht im Kopf, siebzehn Meter in die Tiefe des Meeresbodens, um eine Muschel ans Tageslicht zu befördern. Ein Ambulanzwagen steht bereit, um den mutigen Reporter und "Tauchermeister" zu retten, der am Ende des fiktiven Spiels bekennt. "Ich bin während der ganzen Promenade keinem Bekannten begegnet." Feuilleton als ironisches Schauspiel.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Marina Zettl
Komponist/Komponistin: Thomas Mauerhofer
Komponist/Komponistin: Petra Stambolija
Gesamttitel: Different
Titel: The truth is boring
Ausführende: Marina & The Kats
Länge: 02:45 min
Label: Parramatta 9706846032816

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