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Medizin und Gesundheit

Neue Medikamente gegen Adipositas

Zu schön um wahr zu sein oder letztlich nur überzogene Hoffnungen - die neuen Medikamente gegen Adipositas

Nur selten schafft es ein Medikament gegen Typ 2 Diabetes in alle sozialen Medien. Und das gleich mehrere hunderte Millionen Mal geteilt. Semaglutid ist dieses Kunststück gelungen - mit prominenter Unterstützung. Elon Musk, Kim Kardashian und andere Promis behaupten, dass sie damit bis zu 15 Kilos abgenommen haben. Durch den Hype gab es tatsächlich in manchen Ländern Lieferengpässe - verrückte Welt.

Drehen wir das Rad der Zeit an dieser Stelle mal 20 Jahre zurück

Die Zahl der stark Übergewichtigen nimmt weltweit zu. Alle bisherigen Versuche durch Änderungen des Lebensstils und des Essverhaltens haben keine Wende vollziehen können. Wer ändert schon gerne sein Leben ... Auch alle Versuche die Kilos mit Medikamenten purzeln zu lassen, waren erfolglos. Bis 2005.

Gift einer Echse beflügelt Diabetes Therapie

In diesem Jahr wurde Exenatid, das erste GLP-1-Analogon, zugelassen. Der Wirkstoff wurde im Gift der Gila-Krustenechse entdeckt. GLP-1 Rezeptor-Agonisten sind blutzuckersenkende Wirkstoffe, die zunächst für die Behandlung eines Typ-2-Diabetes eingesetzt wurden. Sie binden wie das körpereigene Peptidhormon GLP-1 an den GLP-1-Rezeptor. Dies erhöht die Insulinausschüttung und hemmt gleichzeitig die Freisetzung von Glucagon, das den Blutzucker erhöht. GLP-1-Rezeptor-Agonisten verlangsamen außerdem die Magenentleerung und erhöhen das Sättigungsgefühl. Ein Volltreffer also, wenn es um die Behandlung von Diabetes geht. Diese Substanzen müssen allerdings subkutan verabreicht werden.

Einige Jahre später die nächste Überraschung

Bei den Studien zum Wirkstoff Liraglutid zeigte sich nicht nur eine sehr solide Wirkung gegen Typ 2 Diabetes, sondern bei der SCALE-Studie kam raus, dass die Probanden nach einem Jahr im Durchschnitt etwa 8 Kilogramm abgenommen hatten. Freude auf allen Seiten. Die Medizin war erstmals drauf und dran ein wirklich wirksames Medikament gegen Übergewicht anbieten zu können. Und die GLP-1 Analoga produzierenden Pharmafirmen konnten ihr Glück kaum fassen. Es gibt schon ziemlich viele Diabetes-Betroffene, aber noch deutlich mehr Menschen mit Übergewicht. Der Rest ist Geschichte. Das Nachfolge-Präparat Semiglutid hat es zu weltweiter Bekanntheit geschafft. Übrigens was in den Gesellschaftsgazetten nicht erwähnt wurde. Semiglutid gibt es auch in Tablettenform. Entfällt also die lästige Spritze.

Die nächste Generation

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz würde Tirzepatid wohl als "Doppel-Wumms" bezeichnen. Diese Substanz ist sowohl ein GIP-(glucoseabhängiges insulinotropes Peptid-) als auch ein GLP-1-(Glucagon-like-Peptide-1-) Rezeptor-Agonist und damit der erste Vertreter einer neuen Substanzklasse. Durch die doppelte Anregung dieser Rezeptoren hat Tirzepatid eine stärkere Wirkung auf den Blutzuckerspiegel und das Körpergewicht. Weltweit werden die Zulassungsstudien mit höchstem Interesse verfolgt.

Und dann gibt es schon auch Nebenwirkungen ...

Bei Semaglutid sind die unerwünschten Wirkungen breitgefächert. Häufig kommt es zu Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauch- und abdominellen Schmerzen sowie erstopfungen. Diese Beschwerden lassen nach einigen Wochen zumeist nach. Seltener sind Hautreaktionen an der Einstichstelle, Gallensteine, Erschöpfungssyndrom (Fatigue), Schwindel und Geschmacksstörungen. Sehr selten sind lebensbedrohliche Nebenwirkungen wie eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse, Blutzuckerabfall, Nierenprobleme bis hin zu Nierenversagen, Schilddrüsentumoren und -krebs, Sehstörungen und schwere allergische Reaktionen.

Was auch zu beachten ist

Obwohl die GLP-1 Agonisten als Diabetes-Medikamente schon seit sehr vielen Jahren eingesetzt werden, ist nicht ganz klar, ob es beim Einsatz gegen "nur" Übergewicht nicht doch noch zu bisher unbekannten Nebenwirkungen kommen kann. Außerdem besteht bei allen Maßnahmen, die ins Sättigungsgefühl eingreifen, das Risiko von Essstörungen.



Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Sind Sie übergewichtig?
Welche Therapien haben Sie in Anspruch genommen?
Wurden Sie mit Semaglutid behandelt? Hat es funktioniert? Hatten Sie Nebenwirkungen?
Würden Sie Ihr übergewichtiges Kind mit einem Medikament behandeln lassen?
Sind Sie dafür/dagegen, dass Adipositas als Krankheit anerkannt wird und in der Folge die Therapiekosten von den Krankenkassen übernommen werden?

Service

Univ.-Prof.in Dr.in Susanne Greber-Platzer
Leiterin der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Meduni Wien, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, Leiterin der Adipositas Ambulanz für Kinder
Universitätskinderklinik AKH
Meduni Wien
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
Tel: +43/1/40400 32320
E-Mail
Homepage

Priv.-Doz.in Dr.in Johanna Brix
Fachärztin für Innere Medizin, Präsidentin der Österreichischen Adipositas Gesellschaft
Stationsleiterin der Adipositas Ambulanz der Klinik Landstraße
1. Medizinische Abteilung mit Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie
Klinik Landstraße
Juchgasse 25
A-1030 Wien
Tel: +43 1 71165 2107
E-Mail
Homepage


Am Telefon:

Prof. Dr. Jens Aberle
Präsident der deutschen Adipositas Gesellschaft
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sowie ärztlicher Leiter des universitären Adipositas-Centrums.

Weitere Infos:

Österreichische Adipositas Gesellschaft

Deutsche Adipositas Gesellschaft

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