Frau hält sich den Rücken

DPA/ARNO BURGI

Punkt eins

Das Wesen des Schmerzes

Über die vielen Facetten einer komplexen Empfindung. Gäste: Univ.-Prof. Dr. Jürgen Sandkühler, Abteilung für Neurophysiologie, Zentrum für Hirnforschung, Medizinische Universität Wien & OÄ Dr. Waltraud Stromer, Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Landesklinikum Horn, Präsidentin der Österreichischen Schmerzgesellschaft. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Opioidpflaster für unheilbar kranke Kinder sind kaum noch vorhanden; verschiedene Schmerztherapeutika für chronisch Schmerzgeplagte, auch Medizinprodukte wie Schmerzpumpen und mehrere Schmerzmittel für Akutfälle sind derzeit nicht lieferbar. Die Medikamentenkrise bedroht nun auch die Schmerzversorgung mit dramatischen Folgen, denn Schmerzmittel können nicht so leicht ersetzt werden und an Schmerzen kann man sich nicht gewöhnen.

Schmerz ist einerseits ein banales und sehr effektives Warnsignal, Gefahren zu erkennen und zu vermeiden, andererseits ein komplexes Phänomen mit vielen Dimensionen, das sich als Schmerzkrankheit "ohne Sinn", als Spur in einem Schmerzgedächtnis verselbständigen kann. Schmerz ist Fluch und Segen, sagt Univ.-Prof. Dr. Jürgen Sandkühler von der Abteilung für Neurophysiologie am Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien, wo er mit seinem Team zur Schmerzentstehung und -Wahrnehmung forscht.

Schmerz ist immer subjektiv; ihn objektiv zu messen, ist nicht möglich und er hat eine starke kulturelle, soziale und psychologische Komponente: Darf oder muss ein Mensch vielleicht sogar laut Jammern und Schreien, um mit seinen Schmerzen ernst genommen zu werden oder heißt es dann: stell dich nicht so an? Muss eine Frau da eben durch - und leidet jahrelang, bis die Diagnose Endometriose dem Schmerz einen Namen gibt und sie sich ernst genommen fühlt? Wird ein Kind getröstet, bemitleidet oder hysterisch umsorgt, wenn es sich verletzt, oder hört es den Satz: Indianer kennen keinen Schmerz?

Schmerz wird als Strafe Gottes gedeutet, die es zu ertragen gilt, als "Wehwehchen" abgetan und im Sport von Laien wie Profis mitunter wie eine Auszeichnung der "wahren Held:innen" ignoriert oder präsentiert. Welche Rolle spielt der "Sinn" bei der Schmerzbewältigung? Wann gehört Schmerz dazu, wann sollte er ertragen werden müssen, wann darf er nicht sein?

Es sollte nicht normal sein, dass jemand nach einer Operation starke Schmerzen haben muss, sagt Dr. Waltraud Stromer, Oberärztin an der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Landesklinikum Horn und Präsidentin der Österreichischen Schmerzgesellschaft. Etwa 1,8 Millionen Menschen in Österreich leiden an chronischen Schmerzen; sie zu behandeln ist eine besondere Herausforderung - mit Medikamenten allein gelingt es nicht. Und völlige Schmerzfreiheit kann bei vielen nicht erreicht werden.

Über das Wesen des Schmerzes und die vielen Facetten eines komplexen Phänomens diskutieren Waltraud Stromer und Jürgen Sandkühler als Gäste bei Barbara Zeithammer an diesem Karfreitag. Unsere Hörerinnen und Hörer sind wie immer herzlich eingeladen, sich am Gespräch zu beteiligen: telefonisch unter 0800 22 69 79 kostenfrei aus ganz Österreich und live während der Sendung oder schriftlich an punkteins(at)orf.at

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Zeithammer

Playlist

Untertitel: Johann Sebastian Bach
Titel: The Well-Tempered Clavier Book I
Prelude & Fugue No. 19, BWV 864 (Transcr. for Viol Consort)_ I. Prelude 1
Ausführende: Phantasm & Laurence Dreyfus
Länge: 01:17 min
Label: Linn rec.

Untertitel: Johann Sebastian Bach
Titel: The Well-Tempered Clavier, Book I
Prelude No. 18 in G Sharp Minor, BWV 863 (Arr. for Ensemble by Laurence Dreyfus)
Ausführende: Phantasm & Laurence Dreyfus
Länge: 01:44 min
Label: Linn rec.

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