Pablo Picasso

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Gedanken für den Tag

Picassos Bruch mit den Konventionen

Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien und Österreich-Präsidentin vom Museumsverband ICOM, über den "Verwandlungskünstler"

Wenn es ein Bild gäbe, das für die Radikalität der modernen Kunstentwicklungen stehen würde, dann wäre es wohl dieses. Es hat bereits zu seiner Entstehungszeit für heftige Diskussionen gesorgt - und tut es heute wieder, wenn auch jetzt aus ganz anderer Perspektive.

Gemalt hat es Pablo Picasso im Jahr 1907 und es ist unter dem Titel "Le Demoiselles d'Avignon" in die Kunstgeschichte eingegangen. Erst letzten Sommer habe ich dieses beinahe zweieinhalb Mal zweieinhalb Meter große Bild im New Yorker "MOMA" wieder einmal ausführlich betrachten können. Denn berufsbedingt interessieren mich natürlich Werke besonders, die als Wendepunkte von Kunstentwicklungen gelten. Dargestellt sind bildfüllend fünf weibliche, zum Teil expressiv gestikulierende Akte, gemalt in rosa und beige. Dazwischen graublaue und weiße Flächen, auch ein wenig braun im Hintergrund.

Das Malen nackter Frauen war in der westlichen Kunst keineswegs ungewöhnlich, auch wenn Picasso von einer Bordellszene inspiriert worden war. Vielmehr war es der Bruch mit einer erzählerischen, realistischen und auf Schönheit ausgerichteten Darstellungstradition, der so irritiert hat. Denn Picasso zerlegt die Körper in eckige, kubische Formen, verzerrt die Proportionen und verleiht den Dargestellten maskenhafte Gesichter - inspiriert von iberischen, ozeanischen und afrikanischen Kunsttraditionen.

Heute wird Picassos Ikone der Kunst des 20. Jahrhunderts erneut heftig diskutiert. Kritiker:innen sehen die Aneignung außereuropäischer Kunsttraditionen zur Erneuerung des westlichen Kunstkanons als problematisch an. Genauso die Tatsache, dass er die Zerstörung der Form am nackten weiblichen Körper vollzieht. Zahlreiche Kunstschaffende haben in dem Zusammenhang bildliche Kommentare geschaffen, die Picassos Werk gleichermaßen wertschätzen wie kritisch hinterfragen.

Für mich ist die Auseinandersetzung mit bildender Kunst gerade deshalb so spannend, weil sie mir zeigt, dass im Leben nie etwas abgeschlossen ist. Nur, wenn wir etwas stets aufs Neue beleuchten, bleiben wir wachsam und lebendig. Dies betrifft geschätzte Kunst, geliebte Menschen, besonders aber auch das eigene Tun. Ein Gedanke, der Picasso selbst nicht fremd gewesen ist. So hat er gemeint: "Ein Bild lebt sein eigenes Leben wie ein lebendiges Geschöpf, und es unterliegt den gleichen Veränderungen, denen wir im alltäglichen Leben unterworfen sind. Das ist ganz natürlich, da das Bild nur ein Leben hat durch den Menschen, der es betrachtet."

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Manuel de Falla 1876 - 1946
Album: ESPANA 92
Titel: A media noche < Um Mitternacht > und Danza ritual del fuego < Ritueller Feuertanz > aus dem szenischen Ballett "Il amor brujo / Der Liebeszauber"
Orchester: London Symphony Orchestra
Leitung: Luis Garcia Navarro
Länge: 04:31 min
Label: DG 4358522

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