Die subtile Eleganz des Ahmad Jamal

20. April 2023, 17:30

An seiner Pianistik schieden sich lange Zeit die Geister: Ahmad Jamal wurde Jahrzehnte hindurch immer wieder als verkanntes Genie apostrophiert, zu dessen Fans u. a. Trompeter Miles Davis zählte. Einerseits. Andrerseits wurde sein Spiel mitunter als eine Ansammlung Barpiano-kompatibler Harmlosigkeiten bezeichnet.

Erst in den letzten Jahrzehnten verstummten die Kritiker:innen, durchaus zu Recht. Denn der US-amerikanische Pianist sprach unzweifelhaft eine eigene Tasten-Sprache. Nuancierte Anschlagskultur und swingende Raffinesse verliehen der Musik seiner Trios eine Aura subtiler, kammermusikalischer Eleganz, wobei die hoch entwickelte Technik nur selten voll ausgespielt wurde. Rasche, mit fahrigen Blockakkorden markierte Spannungssteigerungen konnten dann in perlenden Pianissimo-Läufen auf unnachahmliche Weise regelrecht zur Implosion gebracht.

Ahmad Jamal wurde 1930 in Pittsburgh als Frederick Russell Jones geboren, Anfang der 1950er Jahre legte er anlässlich seines Konversion zum Islam seinen "Sklaven-Namen" ab - damals unter afroamerikanischen Musikern eine gängige Praxis - und nahm jenen Namen an, unter dem er kurz darauf schlagartig bekannt werden sollte: Ab 1955 mit seinem Trio als Hausband im Chicagoer Pershing-Hotel engagiert, wurde die ebendort im Jänner 1958 aufgenommene LP "But Not For Me" mit ihren raffinierten, minimalistischen Versionen von Standards wie "Poinciana" zum Charts-Hit.

Der Erfolg brachte es mit sich, dass Jamal 1961 sogar seinen eigenen, kurzlebigen Club Alhambra in Chicago eröffnete. Doch die Ära dieses seines berühmtesten Trios mit Bassist Israel Crosby und Schlagzeuger Vernell Fournier war 1962 schon wieder vorbei. In der Folge wurden alle weiteren Formationen an jenem berühmten, frühen Vorbild gemessen: Diese hielten durchaus dem Vergleich stand, da Jamal in den folgenden Jahren aktuelle Einflüsse in sein Spiel integrierte und sich mit dem Fender-Rhodes-E-Piano auseinandersetzte, wie etwa im Rahmen seines Europa-Debüts beim Jazzfestival in Montreux zu hören, festgehalten auf dem Album "Freeflight" (1971).

Seit den 1990er Jahren erlebte Ahmad Jamals Karriere mit neuer, fixer Trio-Besetzung - mit Bassist James Cammack und Schlagzeuger Idris Muhammad - eine neue Renaissance, auch von Frankreich aus: Jamal konzertierte regelmäßig in Paris und beim Jazzfestival in Marciac, im Album "Marseille" (2017) portraitierte der bereits 87-Jährige seine europäische Lieblingsstadt, mit Sängerin Mina Agossi und Rapper Abd Al Malik als Gästen.

Am 16. April 2023 ist Ahmad Jamal nun im Alter von 92 Jahren in seinem Haus in Ashley Falls, Massachusetts, an den Folgen einer Prostatakrebs-Erkrankung verstorben. Die "Spielräume" bringen einen Nachruf auf diesen geistreichen Feinspitz des Jazz-Piano-Trios.

Sendereihe

• Spielräume

Gestaltung

• Andreas Felber

Übersicht

• Jazz