Arbeitskosten auf dem Prüfstand

8. Mai 2023, 13:00

In Europa werden alle vier Jahre die Arbeitskosten erhoben. Dabei handelt es sich um die Bruttogehälter plus Sozialbeiträge sowie kleinere Kostenkomponenten wie Ausgaben für die berufliche Aus- und Weiterbildung. Pro geleisteter Arbeitsstunde waren das 2022 im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in Österreich durchschnittlich 39 Euro. Damit liegt Österreich 30 Prozent über dem EU-Durchschnitt von 30,50 Euro und nimmt den achten Platz innerhalb der 27 EU-Mitgliedsstaaten ein.

Erhebungen wie diese entfachen in Österreich regelmäßig eine Diskussion über die sogenannten Lohnnebenkosten. Vertreter:innen der Wirtschaft fordern eine Senkung. Geringe Arbeitskosten würden Österreich Standortvorteile bringen, das führe zu mehr Beschäftigung und Wirtschaftswachstum. Das erhöhe den allgemeinen Wohlstand, so die Argumentation. Doch handelt es sich bei den Arbeitskosten um die passende Messgröße, wenn von Standortpolitik die Rede ist?

Eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO für den Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen zeigte etwa, dass die Arbeitskosten mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs nicht die einzige relevante Größe darstellen. Viel wichtiger sei die Höhe der Lohnstückkosten. Die setzen die angefallen Lohnkosten in Verhältnis zu einer bestimmten Leistungseinheit, also zu einem Produkt oder einer Dienstleistung.

Die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft hänge demnach von unterschiedlichen Faktoren ab, wie der Qualifikation der Arbeitskräfte und Arbeitssuchenden oder der Steuerstruktur. Die Arbeitskosten allein würden die Produktivität der Arbeit und damit die Wertschöpfung nicht berücksichtigen. Fokussiert man auf die Lohnstückkosten, schneidet Österreich im EU-Vergleich wesentlich besser ab als beim Arbeitskostenvergleich.

Hinzu kommt, dass unklar ist, ob eine Reduktion der Lohnnebenkosten, also der Sozialabgaben, die Arbeitgeber leisten, tatsächlich zu höheren Löhnen und damit zu mehr Kaufkraft führen würden - ein weiteres Argument der Befürworter einer Arbeitskostensenkung. Denn die Arbeitgeberbeiträge sind zentral für die Finanzierung des Sozialsystems und sind damit Grundlagen für Einkommen wie Pensionen oder Familienbeihilfen.

Doch, auch das zeigen internationale Studien, die Senkung von Lohnnebenkosten kann sich zumindest kurzfristig positiv auf die Beschäftigung und das Bruttoinlandsprodukt auswirken, im Sinn einer Krisenbewältigungsmaßnahme. Langfristig seien die Effekte jedoch nicht. Anders scheint das bei bestimmten Bevölkerungsgruppen zu sein, wie älteren Arbeitnehmenden oder Geringqualifizierten.

Warum könnten sie von einer Reduktion der Arbeitskosten profitieren? Welche Folgen hätte eine generelle Reduktion der Lohnnebenkosten für Österreichs Wirtschaft und Bevölkerung? Und würden Arbeitskosten und damit Sozialabgaben reduziert, welche Modelle der Gegenfinanzierung wären dann notwendig?

Über diese Fragen spricht Marlene Nowotny mit dem Ökonomen Markus Marterbauer von der Arbeiterkammer, der zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Österreichs forscht und als Experte im Budgetausschuss des Nationalrates tätig ist.

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