Frau trägt Baby in einer Trage

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Radiokolleg

Mythos Mutterschaft (1)

Der vielzitierte Mutterinstinkt

Bis die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Kindererziehung zum zentralen Thema der Debatte um ideale Mutterschaft wurde, gab es schon Mythen und Mystifizierungen um die Darstellung der Figur der Mutter. Die Göttin Rhea versteckte Zeus vor seinem Vater Kronos, damit er von diesem nicht verschlungen würde, die Griechin Klytemnestra rächte den Opfertod ihrer Tochter Iphigenie an deren Vater Agamemnon, die Barbarin Medea mordete ihre Söhne, die heilige Maria gebar den Gottessohn, dessen Tod die Menschheit erlösen sollte und vieles mehr bis zur Pervertierung durch das Mutterkreuz der Nationalsozialisten. Soldatenmütter, Stiefmütter, Helikoptermütter, Rabenmütter ... welche Leitbilder ergeben sich heute für Mütter und welchen versuchen sie wie zu entsprechen?

"Für mich ist er wie Heroin, jedes Mal, wenn ich ihn umarme oder er mich anlächelt, schießt diese tiefe Freude durch meinen Körper und ich vergesse all die Probleme, die dieses kleine selbstzufriedene Arschloch mir verursacht hat", schreibt Jacinda Nandi über ihren einjährigen Sohn. Eine ambivalente Aussage, denn einerseits belegt sie das Kind mit einem Schimpfwort und andererseits beschreibt sie ein geradezu körperliches Glücksgefühl. Ist das der Mutterinstinkt? Woher kommt dann der so genannte Baby-Blues, die postnatale Depression, an der rund 15 Prozent aller Gebärenden im Wochenbett leiden? 1980 brach die französische Historikerin Elisabeth Badinter mit einem Tabu und zeigte in ihrem Buch "Mutterliebe. Geschichte eines Gefühls" die kulturelle Überformung der Beziehung zwischen Müttern und ihren Kindern. Die israelische Soziologin Orna Donath ging 2016 noch einen Schritt weiter und ließ in ihrer Studie "Regretting Motherhood" Mütter zu Wort kommen, die es bereuen, Kinder bekommen zu haben. Ist die Fürsorge für Kinder ein weiblicher Naturtrieb oder beugt sich die Mehrheit der Frauen einer gesellschaftlichen Zuschreibung? Christa Nebenführ hat Erfahrungen und Argumente für beide Überlegungen gesammelt.

Service

Radiokolleg-Podcast

Uni Wien - NorM
Frauenhetz
Frauen beraten Frauen
Uni Innsbruck - Paul Scheibelhofer

Annika Rösler, Evelyn Höllrigl Tschaikner: Mythos Mutterinstinkt: Wie moderne Hirnforschung uns von alten Rollenbildern befreit und Elternschaft neu denken lässt - Kösel Verlag 2023

Hilde Schmölzer: Die abgeschaffte Mutter. Der männliche Gebärneid und seine Folgen. Promedia Verlag 2005

Louis Schützenhöfer: In aller Liebe: Wie wir unsere Mutter überleben. Herder Verlag 2014

Judith Butler: Vom Unbehagen der Geschlechter. Suhrkamp-Verlag 1991

Claudia Erdheim: Bist du wahnsinnig geworden? EV 1984. Neuauflage Czernin Verlag 2018

Élisabeth Badinter: Die Mutterliebe. Die Geschichte eines Gefühls vom 17. Jahrhundert bis heute. dtv Verlag

Bettina Zehnter: Reparaturprojekt Mann, Erholungsgebiet Frau. Diametric Verlag 2020

Barbara Rieger: Mutter werden. Mutter sein. Leykam Verlag 2021

Tobias Moorstedt: Wir schlechten guten Väter. Dumont Verlag 2022

Tillie Olsen: Ich stehe hier und bügle. Aufbau Verlag 2022

Sendereihe