Zwischenruf

"Was glaubt Österreich?"

von Regina Polak, katholische Theologin und Religionssoziologin

Was gibt meinem Leben Sinn und Orientierung? Worauf setze ich mein Vertrauen? Woran glaube ich? Ich bin überzeugt, dass Fragen wie diese in unserer krisenbeladenen Zeit eine besondere Dringlichkeit bekommen. Denn die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen werden sich nicht nur mit Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Technik meistern lassen.

Die Religions- und Werteforschung zeigt freilich, dass in Österreich nahezu alle gesellschaftlichen Institutionen, die traditionell für die Sinn- und Wertestiftung im Leben mitverantwortlich waren, immens an Vertrauen verloren haben: allen voran die Kirchen, aber auch das Rechtssystem, das Parlament, die politischen Parteien, das Bildungssystem sogar die Umweltschutzorganisationen. Vor allem im Zuge der Pandemie ist das Vertrauen in diese Institutionen massiv eingebrochen. Was geschieht mit einer Gesellschaft in einer solchen Vertrauenskrise?

Zunächst wird offenbar die individuelle Suche nach Sinn und Werten wichtiger. Traditionell waren dafür Religion und Glaube die wichtigsten Ansprechpartner. Aber auch diesbezüglich belegt die Forschung, dass traditionelle religiöse Glaubens- und Wertevorstellungen seit Jahren erodieren und Glaubens- und Sinnvorstellungen vielfältig werden. Am deutlichsten wird dies beim "Einbruch des Glaubens an Gott" in Österreich. Hatten zwischen 1990 und 2018 durchgängig zwei Drittel der Bevölkerung den Glauben an einen Gott bejaht, ist die Zustimmung zum Glauben an Gott in nur drei Jahren auf 54% eingebrochen.

Zugleich verstehen sich viele Menschen als spirituell oder sprechen von höheren Energien. Und zunehmend mehr Menschen suchen ihren Lebenssinn in den kleinen Lebenswelten von Familie und Freundschaft oder verstehen sich als Agnostiker:innen und Atheist:innen. Glauben die Österreicher:innen jetzt an gar nichts mehr? Finden sich die Menschen in den traditionell religiösen Glaubensvorstellungen nicht mehr wieder - und wenn ja, warum nicht? Wie formulieren sie ihre Vorstellungen von Lebenssinn und Werten?

Diesen Fragen geht das Projekt "Was glaubt Österreich?" der ORF-Hauptabteilung "Religion und Ethik multimedial" im Lauf des kommenden Jahres nach. Die Religions- und Politikwissenschafterin Astrid Mattes, der Werteforscher und Psychologe Patrick Rohs und ich begleiten dieses Projekt im Rahmen des Forschungszentrums "Religion and Transformation in Contemporary Society" mit einer interdisziplinären wissenschaftlichen Studie.

Derzeit findet auf der Uni-Wien-Homepage "Was glaubt Österreich?" eine erste Umfrage statt, bei der Interessierte bis Ende Juni Fragen zu ihren persönlichen Sinn- und Glaubensvorstellungen beantworten können. Die intensive Beteiligung zeigt, wie groß offenbar der Wunsch nach öffentlichem Austausch zu diesem Thema ist. Ich bin überzeugt, dass der soziale Zusammenhalt in einer demokratischen Gesellschaft auch davon abhängt, dass dem Austausch über solche Sinn- und Glaubensfragen öffentlich Raum gegeben wird. Und ich hoffe, dass das Kooperationsprojekt zwischen dem ORF und der Universität Wien dazu wichtige Impulse geben und Grundlagen bereitstellen kann.

Service

Umfrage "Was glaubt Österreich"

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Ulrich Dallinger
Titel: Was glaubt Österreich
Ausführende: Ulrich Dallinger
Länge: 00:24 min
Label: Tone Demand

Komponist/Komponistin: Gabriel Faure
Bearbeiter/Bearbeiterin: Amsterdam Guitar Trio
Album: AMSTERDAM GUITAR TRIO PLAYS MUSIC BY DEBUSSY, FAURE & CHOPIN
* Berceuse - 1.Satz (00:02:14)
Titel: Dolly op.56 - Suite für Klavier zu 4 Händen / Bearbeitung f. 3 Gitarren
Ausführende: Amsterdam Guitar Trio
Ausführender/Ausführende: Johan Dorrestein /Gitarre
Ausführender/Ausführende: Helenus de Rijke /Gitarre
Ausführender/Ausführende: Olga Franssen /Gitarre
Länge: 02:16 min
Label: RCA Victor Red Seal RD 87800

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